Trauben ernten, maischen und keltern

Etwa 90 bis 120 Tagen nach der Blüte ist die Weinlese (auch als „Herbsten“ bezeichnet) Höhepunkt und Abschluss des Vegetationszyklus der Rebe. Dem Pflücken und Einsammeln keiner anderen Frucht wird so viel Aufmerksamkeit zuteil, wie die der Traubenernte. Dichter und Maler wurden seit jeher vom „Gedränge des Fleißes und dem fröhliche Umhertragen der Körbe“ (Hirschfeld, 1768) zu romantischen Liedern und idyllischen Bildern inspiriert.

Zu den Ritualen, die von einstmaligen Weinernte-Gepflogenheiten sich bis heute erhalten haben, zählen die Feiern der Erntehelfer und Winzer zum Abschluss der Weinlese. Dazu gehören neben gemeinsamen Essen, mannigfachen folkloristischen Bräuchen und den daraus sich entwickelten Weinlesefesten auch die Fahrt geschmückter Transportwagen mit den zuletzt geernteten Trauben sowie oftmals auch der Erntedankgottesdienst.

Historische Weinlese-Darstellungen: Traubenernte im klösterlichen Weinberg, aus Zyklus der Monate: „Oktober“, im Adlerturm des Castello del Buonconsiglio, Trient, Ende des 14. Jhd.; Adel der höfischen Gesellschaft bei der Weinlese, französischer Wandteppich des 16. Jahrhunderts (Ausschnitt, Kopie)

Ein derartig nostalgisch anmutendes Erntefinale hat jedoch häufig Seltenheitswert. Für den Winzer ist – vor allem bei befriedigendem Ergebnis – die Ernte zweifellos Anlass zur Dankbarkeit und Freude. Nüchtern betrachtet besitzt die Weinlese als arbeitsintensivster Abschnitt der Tätigkeit im Weinberg vor allem aber ökonomische Bedeutung. Handelt es sich dabei doch um die spannendste Phase im Weinjahr, bei der innerhalb von wenigen Wochen die Entscheidung fällt über Ertragsmenge und Qualität des Jahrganges.


Rückblick

Bereits im Altertum galt der Grundsatz, Wein nur aus reifen Trauben herzustellen. Ermöglichte die Witterung kein völliges Ausreifen der Früchte breitete man die gepflückten Trauben in der Sonne aus, um sie nachreifen zu lassen. Dieses Verfahren beschrieb schon im 8. Jh. v. Chr. der griechische Dichter Homer.

Weinernte-Illustrationen aus Petrus de Crescentiis „Ruralia Commoda“ (1531) und „Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung“ (1425)

Die Römer kannten nicht nur die Herstellung von Mostkonzentraten durch das Eindicken oder Einkochen des Mostes, sie verstanden sich auch auf bestimmte Gepflogenheiten beim Ablauf der Lese: die Wahl des geeigneten Zeitpunktes (trockenes Wetter, dem einige Tage Regen vorausgegangen war), die Berücksichtigung des Gesundheits- und Reifezustandes der Trauben und die Durchführung von mehreren (gestaffelten) Lesen, bei denen schlechte Trauben ausgeschieden wurden.

Der Wein-Historiker Friedrich von Bassermann-Jordan berichtet in seiner „Geschichte des Weinbaus„, dass die Römer bereits Süßweine, „Trockenbeerenauslesen“ und „Strohweine„ aus rosinenartig getrockneten Trauben erzeugten. Diese Möglichkeiten, die Qualität der Ernteerträge mit speziellen Lese- Verfahren zu optimieren, haben sich über die Zeiten erhalten. Bei der Vorlese (oder Frühlese), die meist durch extreme Witterungseinflüsse wie Hagelschäden notwendig ist, werden abgefallene (Erdtrauben), kranke und beschädigte Trauben eingesammelt.

Den geeigneten Lesezeitpunkt bestimmten im Altertum nicht nur Aussehen und Geschmack (Süße) der Trauben, sondern auch die Traubenkernfarbe. Dunkelfarbige Kerne galten als Indiz für ausreichende Reife. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt war, begann die Lese – je nach Witterung und Weinbauregion bereits im August oder auch erst im Oktober.

Die Trauben wurden seit der Antike mit einem meist gebogenen, sichelartigen Rebmesser (Sesel) abgeschnitten, das auch zum Rebschnitt verwendet wurde. In geringfügigen Veränderungen in Form und Größe wurde es noch Jahrhunderte später in vielen Weinbauregionen verwendet.

Traditionelle „Hippe“ zum Abtrennen der Trauben (links); Lese-Eimer (Mitte); mit Trauben gefüllte hölzerne Tragbütten

Auch das Einsammeln der geernteten Trauben hat sich über die Jahrhunderte nur in Nuancen verändert: Die abgeschnittenen Trauben werden in geflochtenen Körben oder hölzernen Butten (Logel, Legel, Hotte) gesammelt und zur Kelter geschafft. Auf Sorgfalt und Sauberkeit bei der Lese legte man damals großen Wert - Kriterien, die danach lange Zeit in Vergessenheit gerieten und erst ab dem frühen Mittelalter (u. a. durch Erlasse von Kaiser Karl dem Großen) wieder beachtet wurden.

Später erlebten auch die in der Antike praktizierten Trauben- und Beeren-Selektionen ihre Renaissance. So zum Beispiel der Ausbruch (in Ungarn im 17. Jahrhundert) oder die Spätlese (ihre zufällige Entdeckung im Weinbau von Schloss Johannisberg im Rheingau datiert 1775). Die in einer „späten Lese“ gewonnen Kreszenzen wurden ab Ende des 18. Jahrhunderts zum Synonym für eine deutsche Wein-Spezialität.


Mostgewicht

Die fortschreitende Beerenreife erhöht den Zuckergehalt (abhängig von der Witterung täglich 1 bis 1,5° Oechsle) und führt zur Säureminderung (etwa ½ ‰ täglich). Sie bewirkt zudem die Entstehung weiterer Inhaltsstoffe wie Stickstoffverbindungen und Aminosäuren (wichtige Aromaträger). Wichtigster Parameter zur Beurteilung des Reifeprozesses der Beeren ist zunächst die Feststellung des Zuckergehaltes („Mostgewicht“). Er wird mit unterschiedlichen Methoden gemessen:

- Oechsle-Grade zeigen an, um wie viel Gramm l Liter Most schwerer ist als l Liter Wasser. Dieses Mehrgewicht setzt sich aus Zucker und anderen Extraktstoffen zusammen. Benannt nach dem Pforzheimer Goldschmied und Erfinder Ferdinand Oechsle (1774-1852). Gebräuchlich in Deutschland, in der Schweiz und in Luxemburg;

- Klosterneuburger Mostwaage KMW gibt auf einer Skala den Zuckergehalt des Mostes in % an (g/100 g). Umrechnung: ° KMW x 5 = ° Oechsle. 1891 entwickelt von A. W. von Babo. Gebräuchlich in Österreich und Südtirol;

- Baumé-Grade basieren auf der Relation zwischen Mostdichte und Alkohol und ermöglichen somit einen ungefähren Rückschluss auf den potentiellen Alkoholgehalt, z. B. 12° Baumé = 12° Alkohol. Gebräuchlich vor allem in Frankreich;

- Balling- oder Brix-Grade geben die Zuckerkonzentration im Most an, Verwendung u. a. in den USA. Vergleich: 18 % Brix/Balling = 10 % Baumé = 75 % Oechsle = 10 % potentieller Alkohol.

Handrefaktometer zur Messung des Zuckergehaltes im Most mit Ableseskalen für Oechsle-Grade (rechts) und % Saccharose (Zucker). Damit kann der ungefähre Alkoholgehalt ermittelt werden nach der Formel 16,5 g/l Zucker = 1 % Alkohol. Die Trennung zwischen hellen und blauem Feld zeigt den gemessenen Wert an. (Foto rechts: DWI)

Der Zuckergehalt in der Beere wird mit dem Refraktometer oder der Mostgewichtswaage gemessen. Das (Hand-)Refraktometer ist ein optisches Messgerät und zeigt bei einem Tropfen Beerensaft den Zuckergehalt an, so dass es zur regelmäßigen Beobachtung der Reifeentwicklung der Trauben im Weinberg eingesetzt wird. Eine genauere Ermittlung des Mostgewichtes ermöglicht die Mostwaage in Form einer Senkspindel mit einer in Grade eingeteilten Skala, die in den Most eingetaucht wird. Je geringer das Mostgewicht ist, desto tiefer sinkt die Spindel ein.

Die Traubenreife wird mit der Gütezahl oder dem Reife-Index ausgedrückt, der mit folgender Formel errechnet wird: Reifegrad = Grad Öchsle x 10 geteilt durch g/l Säure. Dementsprechend sollten Trauben für einfache Tischweine über einen Reifefaktor von etwa 70 verfügen, qualitativ bessere Weine liegen bei einem Wert um 80 und hochwertige Weine übertreffen den Reifefaktor 100.


Lesezeitpunkt

Wenn auch die grundsätzlichen Tätigkeiten bei der Weinlese Jahrtausende lang nahezu gleich blieben, so entwickelten sich doch aufgrund der unterschiedlichen geographischen Standorte des Weinbaus, verschiedener Klimazonen und traditioneller Gewohnheiten sowie zunehmender Erfahrungen und Erkenntnisse gewisse eigenständige Entwicklungen. Zum Beispiel bestimmten in einigen Weinbauländern „Herbstausschüsse“ mit der Festlegung der Herbstordnung oder des Herbstbanns ab wann mit der Lese begonnen werden darf. Inzwischen wird der Lesestart überall vom Winzer individuell festgelegt.

Reife und aufgeplatzte Beeren erfordern eine rasche Lese und Verarbeitung; verschiedene Beeren-Färbung zeigt unterschiedliche Traubenreife; auf Holzspalieren ausgebreitete Trauben zum An- und Eintrocken für Erzeugung von Süßweinen (Vino Santo, Samos, Commandaria, Vin de Paillle)

Im modernen qualitätsorientierten Weinbau richtet sich die Entscheidung über den Lesezeitpunkt vor allem nach folgenden Parametern:

- sortentypische Reife (frühreife, mittelspätreife, spätreife Rebsorte);

- die analytisch ermittelte Bildung wichtiger Inhaltsstoffe der Beeren: Mostgewicht (Zucker), Säure (pH-Wert), Glucose, Fructose, Phenole u. a.;

- in Ergänzung dazu die „physiologische Reife“ wie:

+ äußere Beschaffenheit der Beerenhaut, speziell unter dem Aspekt der Fäulnisbildung (Botrytis), und der Beerenkerne;

+ haptische und sensorische Bewertung des Beerenfleisches (Farbe, Festigkeit, Geschmack);

- Witterungsverlauf (Der Klimawandel bedingt seit einigen Jahren einen wesentlich früheren Erntebeginn aber auch Ernteverzögerung gegenüber früheren Jahrzehnten). Regen und feucht-warme Witterung beeinträchtigen die Qualität des Lesegutes und der Maische;

- angestrebte Qualitätsstufe und beabsichtigter Verwendungszweck (z. B. Konsumwein, hochwertige Qualität, Sekt, Traubensaft).

Während in Weinbauländern, die in klimatisch gemäßigten Zonen liegen, in den Beeren der meisten Rebsorten eine optimale Zuckerbildung erst ab Frühherbst erreicht wird und sich gleichzeitig die Säure abbaut, kann in den südlich gelegenen Weinbauländern dieses Stadium der Vollreife bereits zu einem früheren Zeitpunkt eintreten. Dazu kommt oft auch ein rascher Abbau der ohnehin nicht hohen Säurewerte. Um dies zu vermeiden, werden die Trauben möglichst früh geerntet, zumal heute vor allem bei vielen Weißweinsorten ein zu hoher Zuckergehalt (und somit hoher Alkohol-Gehalt) nicht erwünscht wird.

Bei der Gesamtbeurteilung der Reife und damit Festlegung des Erntetermins spielt die Bewertung der in der Traube enthaltenen Säure, die früher nur mittels Geschmacksprobe ermittelt wurde, eine zunehmende Rolle. Inzwischen besitzen für die Traubenreife der Indikator des Säuregehaltes sowie die Ausprägung von Fruchtaromen eine ähnlich hohe Aussagkraft wie ihre Süße. Um möglichst optimale Reifearomen zu erzielen, verbleiben die Trauben daher trotz eines ausreichenden Zuckergehaltes häufig noch längere Zeit am Stock.

Neben der Reife ist vor allem die (äußere) Beschaffenheit der Traube ein wichtiges Kriterium für die Festlegung des Lestermins. Dazu gehört vor allem der Befall durch den Grauschimmel-Pilz (Botrytis), der bei feucht-warmer Witterung die Roh- oder Sauerfäule oder Stielfäule der Trauben bewirkt. Da nur in Ausnahme-Jahrgängen ein völlig gesundes und einwandfreies Lesegut geerntet wird, werden auch Trauben verarbeitet, die von Botrytis betroffen sind, wie es besonders bei weichschaligen Beeren der Fall ist. Voraussetzungen sind dazu neben verschiedenen Behandlungsmaßnahmen sorgfältige Trauben- bzw. Beeren-Selektion.

Links: Lesegut mit einigen vom Grauschimmelpilz befallenen Trauben; rechts: Trauben mit edelfaulen Beeren

Der Ausbreitung des Grauschimmel-Pilzes beugt eine frühzeitige Entblätterung der Reben in der Taubenzone vor. Sie wird manuell oder maschinell durchgeführt und erhält als qualitätsfördernde Maßnahme vor allem für länger reifende Trauben zunehmende Bedeutung. Durch – maßvolles – Entfernen der Blätter in der Nähe des Fruchtbehanges werden für die Trauben die Belichtung und für den Rebstock die Belüftung verstärkt. Dadurch ergibt sich in den Beeren eine gesteigerte Ausbildung der Farbstoffe, Aromen sowie der Phenole. Die Trauben werden zudem resistenter gegenüber Stiellähme oder Essigfäule.

Im Gegensatz zum Grauschimmel-Pilz werden Trauben, die von Botrytis cinerea befallen sind, für die Erzeugung hochwertiger Qualitätsweißweine geschätzt. Dieser Pilz führt bei warmer, trockener Witterung auf reifen, hartschaligen Weißwein-Beeren (ab ca. 80 °Oechsle) zur Bildung der Edelfäule. Die davon befallenen Beeren zeichnen sich zwar durch geringere Erntemengen (Verlust zwischen 20 und 40 %) und niedrigen Säuregehalt, jedoch durch hohen Zuckergehalt aus. Ihren Nutzen für die Erzeugung hochwertiger Weine wurde erst im 18. Jahrhundert entdeckt. Im Gegensatz zu weißen Sorten zerstört die Edelfäule allerdings bei Rotweinbeeren die in der Beerenhaut eingelagerten Farbstoffe, so dass die davon befallenen Trauben für die Weinerzeugung ungeeignet sind und daher bei der Lese aussortiert werden.


Lese-Arten

Vor Beginn der eigentlichen Hauptlese werden in der Vorlese unreife und faule Erdtrauben sowie durch extreme Witterungseinflüsse (Hagel) beschädigte Trauben eingesammelt (Negative Vorlese).

Bei der sogenannten Grünen Lese im Juli oder August wird als arbeitsaufwendige und qualitätsfördernde Maßnahme der Traubenbehang ausgedünnt. Mit dem Ausschneiden wird zwar die Erntemenge verringert, durch die Konzentration der Reifeentwicklung bei den verbleibenden Früchten kann indes eine Mostgewichtssteigerung erreicht werden. Abhängig von der Rebsorte und dem Jahrgang beträgt sie um 10 Grad Oechsle, wenn z. B. die Hälfte ausgedünnt wird.

Einen ähnlichen Effekt erzielt die Teilung der Trauben, indem etwa die Hälfte der Pergel herausgeschnitten wird. Die am Stock verbleibende Traube kann sich im Wachstum optimaler entfalten, ist weniger anfällig gegenüber Fäulnis und Trockenschäden durch Wassermangel.

Reife, gefärbte und grüne, unreife, harte Trauben an einem Stock erfordern eine selektive Vorlese

Die bei der Grünen Lese anfallenden unreifen Tauben werden nicht immer vernichtet. Zuweilen dienen sie der Herstellung der ursprünglich französischen Spezialität Verjus (früher als Heilmittel Agrest bezeichnet). Dieser pikant säurereiche Saft wird vor allem als Würzmittel in der Küche verwendet.

Die Hauptlese beginnt meist mit den besonders früh reifenden Sorten, die unter anderem zur Herstellung von Federweißer (junger Wein, Sturm, Rauscher, Bitzler, Sauser) dienen. Dieser angegorene und ungefilterte Most ist bevorzugt in den Weinbaugebieten ein beliebtes Herbstgetränk.

Der Ernteertrag und Menge der daraus erzeugten Weine müssen den zuständigen Gemeindeverwaltungen gemeldet werden. Dabei gilt folgende Umrechnungsformel: 100 kg Trauben = 0,78 hl Wein sowie 100 l Traubenmost = 1 hl Wein.


Manuelle Lese

Bei der traditionellen Lese werden die Trauben von Hand mit der Traubenschere abgeschnitten und je nach Reife- und Gesundheitszustand in unterschiedlichen Leseeimern gesammelt. Trauben, die nicht völlig reif oder sauerfaul sind, werden von gesunden, reifen Trauben getrennt. Noch nicht reife Trauben verbleiben am Rebstock. Angeschimmelte oder essigstichige Trauben werden weggeworfen. Bei von der Edelfäule befallenen Weißweintrauben werden je nach Stadium der Edelfäule und zu erzielender Prädikatsstufe die edelfaulen oder bereits überreifen Beeren (für Weine mit dem Prädikat Beerenauslese) oder die edelfaulen und weitgehend eingeschrumpften Beeren (für Weine mit dem Prädikat Trockenbeerenauslese) einzeln (aus)gelesen.

Die Traubenlese stellt an die Lesehelfer besondere Anforderungen hinsichtlich Sauberkeit, Sorgfalt und Arbeitsleistung. Hauptbestandteil ihres „Lesegeschirrs“ sind Bütten für die Lese (Lesebüttchen), den Transport (Legel, Logel) zum Fahrzeug und die Fahrbütte, in der die gelesenen Trauben geschüttet und eingemahlt werden. Früher waren Lese- und Transport-Bütten aus Holz. Unbeladen wiegt ein Holz-Logel mehr als 10 kg. Mit Trauben gefüllt, erreicht er ein Gewicht von etwa 50 kg. Inzwischen haben Legel aus Kunststoff mit einem Leergewicht von etwa 4 kg ebenso wie Kunststoff-Wannen die hölzernen Geräte abgelöst. Anstelle der auf dem Rücken zu tragenden Legel werden häufig Kästen (Steigen) für 10 kg oder 20 kg verwendet, die auch für den weiteren Transport des Lesegutes geeignet sind.

Abtrennen der Trauben vom Rebstock mit der Leseschere; Transport des Leseguts in der Steillage mit Zugwinde; Leeren der Traubenbütte in das Ladfass oder den Maischewagen

Vor allem in Steil- und steilen Hanglagen ist der Traubentransport mit Logeln eine mühsame Arbeit, so dass dafür Lesekübel, die mittels Seilbahn oder Direktzug transportiert werden, im Einsatz sind.

Die Leistungen der Erntehelfer hängt unter anderem von der Geländebeschaffenheit des Weinberges, der Erziehungsform der Reben, des Trauben-Behangs und der Zeilen-Breite der Gassen ab. Im Steilhang ist die Lese entsprechend wesentlich aufwendiger und damit kostenintensiver als in der Flachlage. Nicht zuletzt spielt auch die manuelle Geschicklichkeit eine Rolle. Aus diesem Grunde beschäftigen viele Weinerzeuger für die Ernte bewährte Arbeitskräfte, von denen - zeitlich befristet - nicht wenige aus dem Ausland kommen.

Neben der selektiven Ernte von Beeren- und Trockenbeerenauslesen ist die Eiswein-Lese ebenfalls eine Ausnahme. Da Eiswein-Trauben zum Zeitpunkt der Lese und Kelterung gefroren sein müssen findet sie meist nach Beendigung der allgemeinen Lese im späten November, Dezember oder zuweilen sogar erst im Januar statt. Geerntet werden die gesunden und reifen Trauben, die zuvor durch Folien und Netze vor Vogelfraß oder schlechten Witterungseinflüssen geschützt wurden. Die Temperatur während der Eisweinlese muss mindestens -7° C. betragen. Die Lese findet meist in den frühen Morgenstunden statt, um dem Auftauen der Trauben während des Tages zuvorzukommen.

Gefrorene Trauben für die Eisweinlese; Blauburgunder-Trauben nach der Lese auf dem Sortiertisch

Zur Sicherung und Steigerung der Weinqualität wird das Lesegut, vor allem bei nicht optimaler Beschaffenheit, auf einem Sortiertisch oder Sortierband einer optischen Überprüfung unterzogen. Bei diesem zeitaufwendigen Verfahren, das konzentriertes Arbeiten erfordert, werden noch enthaltene Fremdkörper und für die Pressung ungeeignete Trauben bzw. Beeren entfernt.

Um hohe Zuverlässigkeit dieser Sortierprozesse zu erreichen, treten anstelle der manuellen Sortieranlagen vorwiegend in größeren Betrieben vollautomatische optische Sortiermaschienen, deren quantitative Leistungen vor allem bei größeren Erntemengen zwar der Handsortierung überlegen sind, bei der Selektion von roten Trauben sowie den Weißweinsorten Grauburgunder und Gewürztraminer noch nicht perfekt ist.


Maschinelle Ernte

Das Abschneiden der Trauben und ihr Transport zu Bottichen, Sammelbehältern oder Maischetankwagen nehmen 70 bis 80 Prozent des gesamten zeitlichen Aufwandes für die Weinlese in Anspruch. Es ist daher verständlich, dass der Einsatz von maschinellen Traubenvollerntern eine wirtschaftlich bedeutende Arbeitserleichterung darstellt. Diese Spezialfahrzeuge, die auch für etliche andere Agrarkulturen entwickelt wurden, bewältigen die Weinlese auf l Hektar Rebfläche in drei bis maximal fünf Stunden. Bei manueller Lese werden etwa 300 Stunden angesetzt. Inzwischen wird der weitaus überwiegende Teil der Weinernte weltweit durch Vollernter eingebracht.

Vollernter können auch in der Dunkelheit eingesetzt werden (kühle Nachtstunden begünstigen die Lesegut-Qualität). In witterungsbedingten problematischen Herbstwochen ermöglichen sie eine sogenannte Blitz- oder Turbolese in wesentlich kürzerer Zeit als manuelle Ernten. Sie beugen somit Ertragseinbußen durch sich verbreitende Traubenfäulnis und zunehmenden Schädlingsbefall vor.

Bei den ersten um 1980 entwickelten Gerätetypen handelte es sich um Erntemaschinen, die noch von Schleppern gezogen wurden. Die selbstfahrenden Vollernter hingegen verfügen nicht nur über schonend arbeitende Schüttelwerke zum Abernten der Trauben und doppelseitige Vorratsbehälter. Sie sind teilweise auch mit Allradantrieb ausgestattet, so dass sie im schwierigen Gelände mit einer Hangneigung bis zu etwa 35 % eingesetzt werden können.

Moderne Vollernter rütteln die Beeren von den Kämmen ohne sie aufzuquetschen.Die Qualität des Ernteergebnisses hängt von der Reife der Trauben sowie der jeweiligen darauf eingestellten Rüttelfrequenz ab.

Ab 2007 wurden zudem Vollernter für Steillagenweinbau mit einer Hangneigung von 50 bis zu 70 % entwickelt. Sie verfügen über ein Raupenlaufwerk, sind mit Stahlseilen gesichert und können auch für andere Weinbergsarbeiten genutzt werden. Da die Anschaffungskosten dieser Maschinen derzeit etwa 200 000 € betragen, werden sie in absehbarer Zeit wohl noch nicht die manuelle Lese in Steillagen ersetzen.

Neben den wirtschaftlichen Vorteilen der mechanischen Traubenernte bringen die technisch zwischenzeitlich weiter verbesserten Geräte auch qualitativ zufriedenstellende Ergebnisse, wie unter anderem Prämierungen und Auszeichnungen für Weine belegen, deren Trauben vollmechanisch geerntet wurden.

Die neue Generation der Traubenvollernter passen sich bei der Lese nicht nur optimal den jeweiligen Rebzeilen an, so dass die Qualität des Lesegutes erhöht wird. Sie verfügen zudem über zusätzliche technische Ausstattungen wie Trauben-Sortier- und Entrappungsmöglichkeiten. Da Vollernter durch ihre Rütteltechnik auch unreife und faule Trauben ernten (sofern diese nicht zuvor durch eine manuelle Lese entfernt wurden) und somit den Trub im Erntegut erhöhen, tragen derartige ergänzende Einrichtungen der Erntefahrzeuge zur Qualitätsförderung des Lesegutes bei.


Trauben-Transport und -Annahme

Im traditionellen Weinbau wurden die geernteten Trauben in Bütten zum Kelterhaus gefahren oder aber zuvor mit dem Mostkolben zur Maische gestampft und anschließend zur Presse geschafft. Derartige Transport- und Verarbeitungsmethoden gehören der Vergangenheit an. Anlieferung und Annahme der Trauben stehen heute unter der Prämisse einer schonenden und raschen Behandlung des Lesegutes, um seine „natürliche“ Qualität auch für die Most- und Weingewinnung zu erhalten.

Traubenannahme am Kelterhaus: Mittels „Abgabeln“ oder Absaugen

Die zunehmende Mechanisierung und Technisierung der Weinernte erstreckt sich inzwischen auch auf die Anlieferung und die dann folgenden weiteren Prozesse. Dabei setzen sich rationell arbeitende Geräte durch, die in ihren Funktionen aufeinander abgestimmt sind. So ermöglicht zum Beispiel die sogenannte Direktabkippung (Selbstkipper), die im Weinberg mit dem Lesegut gefüllt werden, eine unmittelbare Befüllung der Kelter.

Abkippen des Lesegutes an der Traubenmühle und Kelter

Je nach technischer Ausstattung des Weinbaubetriebes werden nach der Anlieferung die Lesegutbehälter entleert und die Trauben zur Mühle geschafft. Auf konventionelle Weise geschieht dies durch das Abgabeln mit der Traubengabel. Weniger anstrengend ist das Entleeren über eine Rutsche mit der die Trauben auf die Mühle und anschließend in die Presse gelangen. Spezielle Transportwagen mit Pumpe oder Transportanhänger mit Behältern unterschiedlicher Größen ersetzen heute vielfach die manuellen Tätigkeiten bei der Traubenannahme. Moderne Alternativen dazu sind Förderbänder, Förder-Schnecken oder Kippanlagen für Trauben und Maische, vor allem im Großbetrieb. erhöhen, tragen derartige ergänzende Einrichtungen der Erntefahrzeuge zur Qualitätsförderung des Lesegutes bei.


Maischen und Abbeeren

Nach der Annahme der Trauben im Kelterhaus beginnt ihre möglichst schnelle Verarbeitung. Auf jeden Fall sollte sie am selben Tag wie ihre Ernte einsetzen. Nach dem Entladen oder Entleeren der Transportbehälter werden in der Mühle die Trauben zur Maische (Mischung aus weichen und festen Bestanteilen der Trauben) verarbeitet, sofern die bereits im Weinberg eingemaischten Trauben nicht direkt zum Kelterhaus angeliefert wurden. Die Trauben werden in Quetschmühlen gemahlen, bei denen Walzen unterschiedlicher Bauart die Beeren, aber nicht deren Kerne aufreißen. Da sich beim Quetschen teilweise bereits Saft (Seihmost) bildet, wird dieser Vorgang auch Vorentsaften genannt.

Die Beeren vorwiegend von Rotweintrauben werden vor dem Keltern mittels eines rotierenden Schlagwerkes von den Stielen (Kämmen, Rappen) getrennt. Dieses Abbeeren (Entrappen, Rebeln) verhindert die Übertragung von Bitterstoffen aus den grünen Stielen der Trauben auf Maische oder Most.

Links: Nach dem Mahlen und Entrappen der Trauben anfallende Rückstände (Trester) bestehen aus Beerenschalen, Kernen und Kämmen; Mitte: bei der Gärung der Rotweinmaische werden die in den Beerenschalen befindlichen Farbstoffe herausgelöst und die einsetzende Gärung führt zur Bildung von Kohlensäure-Bläschen auf der Maische; Rechts: um eine vollständige Extraktion der Farb- und Aromastoffe aus der Maische zu erhalten, wird diese mittels des Mosterkolbens durchmischt und dabei die auf der Oberfläche sich bildende Schicht („Tresterhut“) in die Maische getaucht.

Bei der Ganztraubenpressung von Weißwein entfällt das Abbeeren. Diese Variante der Weinbereitung wurde zunächst fast ausschließlich beim Ausbau von Schaumwein-Grundweinen (zum Teil vorgeschrieben) und Süßweinen praktiziert. Inzwischen findet sie bei der Weißwein-Erzeugung vor allem aus hochwertigem (selektivem) Lesegut immer mehr Anwendung. Ihre kellertechnischen Vorteile bei schonender Kelterung wie geringere Trubbildung im Saft und höhere Säureausprägung sind unbestritten.

Die Beurteilung der qualitativen Vorzüge von Weinen, die aus nicht entrappten Trauben gekeltert wurden, weichen unter Befürwortern und Skeptikern dieser Methode voneinander ab. Als positive Merkmale dieser Weine werden vor allem Frische, Reintönigkeit und Fruchtigkeit genannt. Dass hingegen ihr Extraktgehalt und Farbstoffgehalt abnehmen und diese Weine über mehr Komplexität und Feinheit verfügen, kann pauschal nicht behauptet werden.

Für die Bereitung von Weißwein bleibt die Maische von Trauben, die ein Mostgewicht von weniger als 100° Oechsle hatten, etwa drei bis sechs Stunden stehen bevor sie abgepresst wird. Die Dauer der Maischestandzeit beeinflusst Stil und Charakter des Weines. Längere Standzeiten der Maische trägen zum konzentrierten, dichten Geschmacksbild vollmundiger Weine bei. Das Ziehenlassen fördert die sortentypische Aromatik, empfiehlt sich daher jedoch nicht bei Sorten, die ohnehin stark aromabetont sind (Bukettsorten).

Für die Erzeugung hochwertiger Rotweine hat die Kaltmaischung (Kaltmazeration) Bedeutung gewonnen. Hierbei wird die Maische zwischen 5 und 10° C (u. a. mit Trockeneis) gekühlt und nach Zugabe von etwa 70 mg/l Schwefel einige Tage stehengelassen. Der Gärungsprozess setzt noch nicht ein, jedoch kann es während dieser Zeit zu besseren Extraktionsergebnissen kommen als bei der üblichen Maischegärung. Zur Weißweinbereitung wurden bislang nur für bestimmte Rebsorten (z. B. Sauvignon blanc) mit dieser Maischung gute Resultate erzielt.

Zur Erzeugung leichter, fruchtiger Rotweine ohne ausgeprägten Tanningehalt, die bereits wenige Wochen nach der Ernte trinkbar sind (Primeur, Nouveau, Novello, Vino Joven) wird die Kohlensäuremaischung praktiziert. Bei diesem in Frankreich (Beaujolais) entwickelten Verfahren werden möglichst reife und unverletzte Trauben (bevorzugt mit weicher Schale) ohne Entrappen unter Kohlensäure in einem Behältnis eingelagert. Nach wenigen Tagen platzen unter dem CO2-Druck die Beeren auf und es setzt eine interzelluläre Gärung ein, deren chemische Reaktion bereits 1872 von Louis Pasteuer entdeckt wurde. Anschließend werden ihr Most sowie der Most der gepressten Maische vermischt und die Gärung zum Abschluss gebracht. Vielfach wird nur ein bestimmter Anteil der geernteten Trauben mit diesem Verfahren verarbeitet, während der übrige Teil wie üblich auf der Maische vergärt. Typisch für die Weine sind ihre relativ helle Farbe, ihr Duft sowie ihr moderater Tanningehalt. Wegen ihres geringen Gerbstoff- und mäßigen Alkoholgehaltes eigenen sie sich nicht für eine längere Aufbewahrung.

Zur Gewinnung von Rosé (Weißherbst) wird die Maische von Rotweintrauben nach dem Abberen und Mahlen etwa drei Stunden ziehengelassen. Durch das Entsaften und rasche Abpressen gelangen nur wenige der in der Beerenhaut enthaltenen roten Farbkörper in den Most, so dass dieser die typische hellrote Farbe dieser Weinart erhält.

Für die Rotweinbereitung ist es erforderlich, durch Gärung, Erwärmung oder kurze Erhitzung der Maische die roten Farbkörper und Extraktstoffe der Beeren zu lösen. Traditionell wird dies durch die Maischegärung erreicht. Bei der offenen Maischegärung wird die Maische manuell gestoßen, bei der geschlossenen Gärung wird der Most mit Pumpen oder durch C02-Druck umgewälzt. Bei anderen Verfahren der geschlossenen Maischegärung wird der sich auf der Oberfläche der Maische bildende „Tresterhut“ auf verschiedene Weise mechanisch oder durch Druck bearbeitet. Die Ausbeute von Farb- und Extraktstoffen während der Maischegärung hängt entscheidend von der jeweiligen Temperatur sowie vom Alkoholgehalt ab.


Keltern

Um mittels Auspressen die festen Bestandteile der Trauben vom Saft zu trennen, waren bis ins Mittelalter weitgehende identische Keltersysteme gebräuchlich.

Traubenverarbeitung in alter Zeit: „Kollergang“ (steinernes Mahlwerk zum Zerquetschen der Tauben); Traubenmühle; mechanische Vertikal-Pressen (Exponate im Deutschen Weinbaumuseum, Oppenheim)

Bevor die ersten Keltern im Römischen Reich gebaut wurden, trat man die Trauben mit Füßen im Zuber oder Bottich, der manchmal einen zweiten siebartigen Boden enthielt, aus. Derartiges „Mostern“, das auch in Taubenmühlen oder mittels Mostkolben erfolgte, wurde vereinzelt noch bis ins 20. Jahrhundert vor allem in Mittelmeer-Ländern praktiziert. Obwohl schon im frühen Mittelalter dafür größte Reinlichkeit (der Trauben pressenden Füße und später auch der Keltern) angemahnt wurden, entspricht dieser Brauch wohl kaum unseren heutigen Vorstellungen von Hygiene.

Austreten der Trauben: Fresko im Grab des Nacht (um 1420 v. Chr.) und in einer Illustration aus Tacuinum Sanitatis (11. Jhd.); Querschnitt-Darstellung einer einfachen Spindelpresse aus dem 19. Jhd..

Seine Befürworter verweisen indes darauf, dass durch die Bewegungen der Füße die Trauben wesentlich flexibler ausgepresst würden als durch den Druck der Kelter. Im alten Ägypten wurden die Trauben sogar zusätzlich noch in Säcken ausgewrungen. Moderne Keltern sind längst anstelle dieser archaischen Verfahren getreten.

Viele Jahrhunderte dominierte als Hebelpresse die von der römischen Torkel abgeleitete Baumkelter, in unterschiedlichsten Größen und Ausführungen (zum Teil mit Schraubenbetrieb). Dabei erzeugt ein etwa 10 bis 15 Meter langer Baumstamm den Hebeldruck zum Auspressen der Trauben. Wie der Weinhistoriker Bassermann-Jodan vermutet, wurde bis ins Mittelalter eine Kombination beider Verfahren vorgenommen, indem die Trauben zunächst mit Füßen ausgetreten und anschließend in der Baumkelter gepresst wurden.

Baumkelter von 1869 im Deutschen Weinbaumuseum, Oppenheim

Neue technische Errungenschaften waren mechanische Niederdruck-Pressen mit einer Holz-Spindel (später auch Eisen-Spindel) und einem Biet (Kelterboden) aus Stein. Im Gegensatz dazu bestehen bei den alten Hochdruck-Keltern (mit einer oder zwei Spindeln) oder Jochkeltern Korb und rundem oder eckigem Biet (als Doppelkelter auch mit zwei Bieten) ganz aus Holz. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurden hydraulisch arbeitende Korbpressen eingesetzt. Zu den vielfältigen Varianten dieser Systeme gehören in jener Zeit auch Unterdruckpressen.

Bei sämtlichen Bauarten verlief das Auspressen der Trauben nach traditionellem Prinzip vertikal. Bei den seit den 1950er Jahren gebauten Horizontal-Pressen erfolgt die schonende Traubenverarbeitung horizontal, wobei Intensität und Zeitdauer des Drucks bedarfsgerecht gesteuert werden können. Ihr Vorteil besteht im Abpressen einer dünnen Maischeschicht im Gegensatz zum Pressen kompakten Maischekuchen in alter Keltertechnik.

Unter den modernen Keltern sind heute Membranpressen führend. Bei den meist diskontinuierlich arbeitenden Modellen lassen sich ihre Pressprogramme auf die jeweilige Rebsorten und Güte des Lesegutes einstellen. Während die veralteten Keltersysteme ein schonendes Auspressen der Maische kaum ermöglichten, so dass sich Trübungen mit Gerb- und Bitterstoffen aus zerdrückten Kernen und gequetschten Beerenhäuten auf den Saft übertrugen, gewährleistet der sich kissenähnlich aufblasende, einem Schlauch ähnelnde, Gummibalg in den pneumatischen Tankpressen einen sanften Druck auf die Trauben.

Somit besteht die Möglichkeit durch die individuelle Wahl des Kelterverfahrens bereits die Stilistik des Weines zu beeinflussen. Dazu spielt neben der Größe der Presse die Technik des Saftablaufes eine Rolle. Prinzipiell wird zwischen halboffenen und geschlossenen Tankpressen unterschieden. Offene Tankpressen arbeiten schnell, da sie über einen größere Entsaftungsfläche verfügen, so dass der Saft rasch abläuft. Aus der geschlossenen Presse läuft der Saft langsamer ab. Dafür bietet sie einen sicheren Luftabschluss als Oxydationsschutz und verhindert somit den Sauerstoffkontakt der Maische bzw. des Mostes.

Entleeren einer stationären Horizontal-Spindelpresse mit offener Trommel; moderne mobile Keltern mit geschlossenem Presssystem und unterschiedlich großem Volumen

Für die qualitative Ausbeute des Kelterns ist die Stärke des Pressdruckes nicht entscheidend, da durch das Pressen nicht der Saft aus der Fruchtzelle ausgedrückt, sondern nur abgetrennt werden soll. Kurze, häufigere Druckfolgen sind wirksamer als das lange Halten des Druckes auf den verschiedenen Druckstufen. Aus diesem Grunde sollte möglichst viel Most im Vorlauf gewonnen werden.

Der Vorlaufmost oder Seih-Most ist besonders für die Erzeugung guter Weinqualitäten geeignet, weil er ausschließlich aus dem Fruchtfleisch der Beeren gewonnen wird, während sich der anschließend gewonnene Pressmost aus dem Saft der Fruchtfleischzellen sowie des Beerenmarkes zusammensetzt.

Der sogenannte Nachdruck, der letzte Pressvorgang der Kelter, liefert außerdem den Saft aus den Hülsen und gegebenenfalls auch aus Kämmen der Beeren. Dementsprechend sind die Anteile an Gerbstoffen beim Nachdruck oder Scheitermost besonders hoch. Oft bedarf er einer besonderen Einlagerung und Behandlung innerhalb der Weinerzeugung.

Je nach Rebsorte und Größe der Beeren werden durch das Keltern aus 100 Kilogramm Trauben etwa 80 Liter Most gewonnen, aus 100 Litern Maische zirka 85 Liter Most. Die Ausbeute bei der Kelterung verteilt sich je nach Sorte und zuvor vorgenommenem Entrappen auf 75 bis 85 Prozent Most und 25 bis 15 Prozent Trester. Dieser in der Kelter verbleibende trockene Pressrückstand, der aus Hülsen, Kernen oder auch Rappen besteht, wird als organischer Dünger in den Weinbergen eingesetzt oder aber zur Herstellung von Tresterwein („Haustrunk“) oder Tresterschnaps (Grappa, Marc) verwendet. In großen Kellereien, in denen Trester in beträchtlichen Mengen anfällt, wird dieser auch als Energiespender für Heizzwecke wiederverwendet.


Mostklärung

Zu den Grundlagen für die Erzeugung einwandfreier Weine gehört nach der Lesetechnik und möglichst schonendem Traubentransport die anschließende Behandlung des Lesegutes. Bereits die in der modernen Kellertechnik immer öfter bevorzugte Anlieferung und Weiterverarbeitung durch Nutzung der Gravitation (mittels Falldruck) verhindert ein frühzeitiges Aufplatzen der Beeren mit unerwünschten Nachwirkungen wie Oxidation oder Aromenverlust.

Erste wichtige Vorstufe bei der Verarbeitung zu reintönigen Weinen ist die Abtrennung und Klärung des Keltermostes mit seinen Trubstoffen aus Trauben- bzw. Beeren- und Erdresten, Hefen und Bakterien. Neben diesen sichtbaren enthält der Most optisch nicht erkennbare Trubstoffe (Feintrub, kolloidaler Trub), der aus Mikroorganismen entsteht. Wenn sie nicht mit einer Vorklärung des Mostes beseitigt werden, können sich Probleme bei der Gärung sowie die Notwendigkeit zusätzlicher Schwefelung und Filtriermaßnahmen ergeben. Jede nochmalige Bearbeitung beeinträchtigt allerdings letztendlich die Qualität des Endproduktes.

Traditionell üblich ist das Sieben durch den „Seiher“, mit dem allerdings kaum der gesamte Feintrub beseitigt wird. Vielfach wird eine Selbstklärung durch „Absetzenlassen“ des Mostes innerhalb von zwei bis drei Tagen vorgenommen. Je nach Beschaffenheit des Mostes stehen alternative technologische Verfahren zur Verfügung, wie Einsatz von Klärseparatoren, Filtration mittels Cross-Flow-Verfahren mit der kontinuierlich arbeitenden Umwälzpumpe oder Flotation, bei der im Tank durch Gasdruck die Trubteilchen an die Mostoberfläche gelangen und abgesaugt werden.

Die Verarbeitung des Lesegutes basiert nicht nur auf physikalisch-technischen Prozessen. In der modernen Kellerwirtschaft werden sie durch Zugabe von Stoffen zur biochemischen Stabilisierung und Klärung (Schönung) entsprechend der gesetzlich zugelassenen Anwendungen ergänzt.

Primär verringern oder verhindern sie die Oxidation von Trauben, die einsetzt, sobald die Beerenschalen verletzt sind und der Saft mit Luft in Berührung kommt. Durch Sauerstoff-Kontakt reagieren Inhaltsstoffe der Beere und des Weines. Insbesondere Phenole bewirken Veränderungen der Farbe (Braunwerden wie dies auch bei aufgeschnittenen Äpfeln oder Birnen der Fall ist), des Aromas und des Geschmacks. Außerdem können Schimmelpilz-Infektionen unerwünschte chemische Reaktion wie zum Beispiel Bildung von Essigfäule beschleunigen.

Zur Vermeidung der Oxidation sollten Trauben möglichst nach der Lese nicht gequetscht werden. Nach der Ernte, gelegentlich schon im Weinberg auf der Traubenmühle, ansonsten als Most oder Maische werden sie geschwefelt, üblicherweise mit 3 bis 5 g/hl SO2 (als Kaliumdisulfit). Most aus stark von Botrytis befallenen Trauben erhalten bis zu 10 g/hl Kaliumbisulfit. Zur Förderung der Hefebildung ist seit 2014 die Verwendung von Ammoniumbisulfit als flüssige schweflige Säure zugelassen.

Ergänzend dazu können im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen auch andere Präparate wie z. B. bestimmte Tannine eingesetzt werden, die neben dem Oxidationsschutz auch positiv das Geschmacksbild beeinflussen. Da Gelatine (oder alternativ Kartoffelextrakt) die Bildung von Phenolen einschränkt, wird zur Most-Schönung und besseren Durchmischbarkeit der Maische mit hohem Botrytis-Anteil davon Gebrauch gemacht.

Weitere Behandlungsstoffe sind unter anderem Enzymgranulate (Pektinasen), die zur besseren Klärung beitragen und Aromen freisetzen. Bentonit fördert die Eiweißstabilisierung. Als Schönungsmittel ist es nach der Gärung im Wein nicht mehr enthalten. Die Zugabe von Aktivkohle reduziert Braunfärbung oder Hochfarbigkeit des Mostes sowie unerwünschte Aromen und Geschmacksstoffe (vor allem Bitter- und Gerbstoffe). Kellereien, in denen Trester in beträchtlichen Mengen anfällt, wird dieser auch als Energiespender für Heizzwecke wiederverwendet.


Grundlagen der Weinstilistik

Während in früheren Zeiten die Beschaffenheit der Weine überwiegend nur durch natürliche Faktoren wie Witterungsbedingungen sowie traditionelle, überkommene Ernte- und Verarbeitungsmaßnahmen geprägt waren, steht heute für die Weinbereitung eine breite Palette von weintechnologischen Möglichkeiten zur Verfügung. Dazu tragen unter anderem die international vernetzte Wissenschaft und Forschung, eine innovative Industrie für Außen- und Kellerwirtschaft sowie eine Vielzahl von Weinbehandlungsmethoden und Präparate bei. Nicht zuletzt sind es jedoch Streben nach Individualität, Neugierde und damit verbundene Experimentierfreudigkeit, die in der Weinerzeugung zum Variantenreichtum der Produkte und der Weinstile führen.

Weine besonderer Eigenart, die sich von üblichen Standardqualitäten abheben, erhalten ihre Stilistik nicht erst durch ihren eigentlichen Ausbau im Keller. Der Weg zum individuellen Wein beginnt bereits bei Entscheidungen über Lesezeitpunkt und Leseart unter jeweiliger Berücksichtigung der Rebsorte und des Reife- und Gesundheitszustandes der Trauben. Durch längere Reifeperioden werden im günstigsten Fall Qualitätssteigerungen erreicht. Gleichzeitig reduziert sich die Ertragsmenge. Das Wetter-Risiko sowie die Wahrscheinlichkeit der Fäulnisbildung nehmen hingegen zu.

In den vergangenen Dekaden wurden nur in wenigen Jahrgängen im Durchschnitt auffallend geringe Mostgewichte bei der Ernte verzeichnet. Im Gegenteil: der Anteil des Lesegutes mit hohem Zuckergehalt nahm aufgrund klimatischer Veränderungen zu. Seit den 1970er Jahren erfolgte eine Zunahme des durchschnittlichen Mostgewichtes in den rheinland-pfälzischen Weinbaugebieten um insgesamt etwa 10° Oechsle. Somit gewinnt das Alkoholmanagement auch für den Weinbau in den nördlichen Anbaugebieten an Bedeutung. Dabei gilt es den Alkoholgehalt ebenso wie die Säurewerte, bei denen im langjährigen Mittel die Gesamtsäure in der Statistik rückläufig ist, an die beabsichtigte Weinstilistik anzupassen.

Für die Erzeugung individueller, „authentischer“ Weine mit hohem Qualitätsanspruch gilt die sorgfältige manuelle Lese, trotz aller technischen Verbesserungen der Vollernter, weiterhin als unverzichtbare Voraussetzung. Die Beschaffenheit und Behandlung von Most und Maische sind weitere Kriterien für die Ausbildung bestimmter Weinstile. Einen Königsweg bei den zahlreichen Variationsmöglichkeiten gibt es nicht. Entrappen oder Verzicht auf Abbeeren sind nicht nur von Weintyp und Sorte abhängig. Das Abtrennen von Stielen und Rappen beeinflusst die Bildung des Gerbstoffgehaltes und der Aroma-Vorläufer. Im gleichen Maße prägen Abpressen, Maischestandzeit, Mostklärung und Schönung sowie Keltern Weinstilistik und Charakter. Ebenso wichtige Bausteine für das sensorisch angestrebte Ergebnis sind die im Ausbau folgenden Schritte, die im nächsten Abschnitt behandelt werden.