Likörweine, Süßweine und andere Spezialitäten

Die Beliebtheit süßer Weine führte in fast allen Weinbauländern zur Erzeugung natursüßer oder gesüßter Kreszenzen, die allerdings äußerst unterschiedlich „süß“ schmecken. Ihre Sorten- und Geschmacksvielfalt wird nicht nur durch natürliche Faktoren wie Rebsorte und Klima bestimmt, sondern auch durch ihre Herstellungsverfahren, die Süße – und meist auch alkoholische Stärke – bewirken.

Unter der Bezeichnung Dessertwein führte das deutsche Weingesetz von 1930 „Südweine“ und, „Süßweine“ auf. Unter „Südwein“ verstand man nicht generell jeden aus südlichen Ländern stammenden Wein, sondern nur Weine, die über einen höheren Alkohol- und Zuckergehalt verfügen wie die heute als Likörweine bezeichneten Erzeugnisse. Sie werden gemäß damaliger Vorschrift gewonnen: „aus ganz oder teilweise vergorenem Traubensaft, dessen Alkoholgehalt durch Zusatz von Feinsprit und dessen Zuckergehalt durch eingedickten Most, oder Saft von Trockenbeerenauslesen“.


Produktgruppen

Das Weingesetz unterscheidet heute entsprechend der EU-Regelung zwischen Likörwein und Qualitäts-Likörwein b. A. (besonderer Anbaugebiete), die aus einem geographisch begrenzten Weinbaugebiet stammen. Begriffe wie „Dessertwein“, „Süßwein“ und „Südwein“ finden sich nicht mehr im Gesetzestext, der jedoch die Erzeugung weinhaltiger Getränke und aromatisierter Weine regelt.

In der Praxis, auf Weinetiketten, in Weinpreislisten oder Weinkarten der Gastronomie, sind diese oft irritierenden und verwechslungsfähigen Bezeichnungen ohnehin nicht gebräuchlich. Lediglich die Umschreibung „Dessertwein“ hat sich als Empfehlung für die geeignete Trinkgelegenheit – ebenso wie „Aperitif-Wein“ (als aromatisiertes Getränk jedoch Wein-Aperitif) – erhalten.

Diese Spezialitäten gliedern sich in drei Gruppierungen:

? Likörweine, die mit Alkohol (neutraler Alkohol, Weinbrand oder ähnlichen Wein-Destillaten sowie bei bestimmten Likörweinen mit Mostkonzentrat) verstärkt („angereichert“) werden.

? „Süßweine“, die ohne Zugabe von Alkohol erzeugt werden. Gesetzlich ist dieser Begriff nicht definiert. Viele Süßweine verfügen über einen geringeren vorhandenen Alkoholgehalt als Likörweine.

? Weinhaltige sowie weinähnliche Getränke, die vorwiegend nicht (nur) aus Weintrauben sondern (auch) aus anderen Produkten gewonnen werden und dementsprechend nicht nur süß, sondern auch (halb)trocken oder würzig-bitter schmecken


Likörweine

Da die natürlichen Voraussetzungen für ihre Herstellung reife Trauben mit hohem Mostgewicht sind (mindestens 88° Oechsle = 12° natürlicher Alkohol), werden sie in warmen Klimazonen, traditionell in süd- und südosteuropäischen Weinbauländern, sowie in Weinbauregionen außerhalb Europas erzeugt.

Süße und Reife verschiedener Sherry-Typen lassen sich an ihrer Farbe erkennen. Trockener Sherry verfügt häufig über ein helles Goldgelb, während der Sherry mit üppiger Süße – z. B. Oloroso oder Cream - bernsteinfarben ist.

Von „Süßweinen“ unterscheiden sie sich bei der Herstellung durch die Alkoholerhöhung durch eingedickten Most oder Zugabe von Alkohol während oder nach Abschluss der Gärung. Damit wird die Gärung gestoppt und es verbleibt ein hoher Anteil unvergorenen Zuckers. Ursprünglich diente die Zugabe von Alkohol nicht der „Anreicherung“, sondern der Haltbarkeit der Weine. Alkohol wurde anstatt des früher wenig genutzten Schwefels zur Konservierung verwendet.

Prägnante Merkmale vieler Likörweine sind ihre oft zu Gold- oder Brauntönen tendierende Farbe, ihr mehr oder weniger stark ausgeprägtes oxidatives oder süßliches Aroma sowie ein intensiver, kräftiger, breiter, nachhaltiger Geschmack. Sie resultieren auf traditionellen Ausbau und Lagerung der Weine mit zuweilen ausgiebigem Luftkontakt.

Trotz ihrer Bezeichnung „Likörwein“ umfasst diese Kategorie auch geschmacklich trockene Weine, da sie mit ähnlichen Herstellungsverfahren wie Likörweine erzeugt werden.

Aufgrund ihres höheren Alkoholgehaltes (mindestens 15° und höchstens 22° vorhandener Alkoholgehalt) unterscheiden sich alkoholverstärkte Likörweine von edelsüßen Weinen wie Beeren- und Trockenbeerenauslesen (ca. 8° bis ca. 11°).

Einstmals berühmte Likörweine aus den südeuropäischen Weinbauländern haben, nicht zuletzt durch den Trend zu leichteren und trockenen Weinen, ihre frühere Bedeutung verloren. Abgesehen von bestimmen hochwertigen Port- und Sherry-Weinen zeigen viele Likörweine ein relativ einfaches Qualitätsniveau und erreichen somit keineswegs die Wertschätzung von hochwertigen Auslesen.




Herstellungsverfahren

Bei Likörwein b. A. (z. B. Port, Sherry, Tarragona, Madeira, Malaga, Marsala, Samos) oder Likörwein wird die spezielle Eigenart auf nahezu identische Weise im Wesentlichen durch Alkoholzugabe vor, während oder nach der Vergärung erreicht.

Typisch für viele Likörweine ist neben einem ausdrucksvollen Aroma ihre kräftige zum Granatrot bzw. Goldgelb tendierende Farbe.

Die Bezeichnung Vins Doux Naturells für französische oder griechische Weinspezialitäten wird zwar als „natürliche Süßweine“ übersetzt. Da aber während ihrer Vinifikation ebenfalls Alkohol hinzugefügt wird, zählen sie zu den Likörweinen. Die Alkoholzugabe bewirkt einen Gärstopp (Mutage). Es verbleibt ein hoher Anteil an unvergorenem Zucker. Der Alkoholgehalt des entsprechend süßen Weines beträgt 15° bis 18°.

Die meisten Vins Doux Naturells Frankreichs werden aus Muscat-Trauben gewonnen, wie Muscat de Beaumes-de-Venise im Rhônetal, im Roussillon Muscat de Rivesaltes, im Languedoc Muscat de Frontignan, Muscat de Lunel oder Muscat de Mireval.

Eine regionale Spezialität unter den französischen Likörweinen ist auch der Pineau de Charentes aus der Cognac-Region, dem bei der Erzeugung junger Cognac zugegeben wird.

Marsala, einer der berühmtesten italienischen Likörweine, der sich seit dem 18. Jahrhundert lange Zeit großer Reputation erfreute, heute aber oft nur noch als „Kochwein“ gefragt ist, wird auf diese Weise erzeugt. Der Marsala, nach der gleichnamigen sizilianischen Stadt benannt, wird durch Gärstopp mittels Weinbrand-Zugabe und Süßung mittels Traubenmost gewonnen.

Nahezu in jedem Weinbauland der Neuen Welt werden Likörweinen im Stil bekannter europäischer Likörweine erzeugt. So hat südafrikanischer „Port“ eine lange Tradition. Um Verwechselung mit dem portugiesischen Original auszuschließen, werden sie „Cape“ (oder „fortified wines“) genannt. Ihre Zusatzbezeichnungen wie Ruby, Tawny oder Vintage gleichen denen des Portweines. Die in Südafrika hergestellten Likörweine im Sherry-Stil tragen gleiche Bezeichnungen wie die andalusischen Originale (z. B. Fino, Amontillado, Oloroso). Unter den Likörweinen Australiens sind vor allem Nachahmungen von süßen europäischen Muskat-Weinen zu nennen. Auch Rebsorten und Herstellungsverfahren bei übrigen Likörweinen ähneln denen in Europa.


Süßweine

Weine dieser Gattung, die nicht zu den Likörweinen zählen, werden nicht aufgespritet, also nicht mit Alkohol angereichert. Entsprechend der Reife und Beschaffenheit ihrer Tauben und deren Weiterverarbeitung unterscheidet man drei Kategorien von Süßweinen:

? Beeren- und Trockenbeerenauslesen sowie Ausbruch werden aus eingetrockneten Trauben erzeugt. Ihre Süße resultiert aus Beeren, die von der Edelfäule befallen und rosiniert sind.

? Die Trauben von Eisweinen werden im gefrorenen Zustand gekeltert. Spät- und Auslesen (Vendage Tardive in Frankreich, Late Harvest in Übersee), gelten nicht generell als Süßweine, da sie auch in der Geschmacksrichtung „trocken“ ausgebaut werden und ihr Restzucker unter dem von Beeren- und Trockenbeerenauslesen liegt.

? Für die Erzeugung nach dem Passito-Verfahren werden vollreife Trauben auf Stroh- oder Schilfmatten oder Holzgestellen mehrere Monate ausgebreitet und anschließend gekeltert. (Siehe folgende Übersicht)

Für die Erzeugung des Vinsanto werden die Trauben auf Holzgestellen zum Rosinieren ausgelegt.

Bei jedem dieser Verfahren reduziert sich der Wassergehalt in der Beere, während sich damit der Süßegehalt konzentriert. Im Passito-Verfahren erzeugte Weine weisen einen hohen Alkoholgehalt von etwa 14° auf. In der EG muss der Zuckergehalt dieser Süßweine mindestens 40 g/l betragen, in anderen Weinbauländern gelten auch Weine mit einem geringen Zuckergehalt als Süßwein. [Weine, die über einen geringeren Zuckergehalt als 40 g/l verfügen, der bei den meisten Konsumweinen durch Gärunterbrechung oder Zugabe von Süßreserve, Most- oder Traubenkonzentrat erreicht wird, gelten in der EU nicht als Süßweine. Aufgrund ihrer nur moderaten Süße wird ihr Geschmack als „(fruchtig)-mild“ oder „lieblich“ bezeichnet].

Prominenteste Vertreter der nicht verstärkten edelsüßen Weine sind Beeren- und Trockenbeerenauslesen, der österreichische Ausbruch, die elsässische Selection de Grains Nobles, die edelsüßen Kreszenzen von Vouvray und den Côteaux du Layon, die edelsüßen Weißweine aus Sauternes und Barsac sowie der Gaillac Doux. Muskateller-Auslesen aus den Überseeländern sind Dessertweine, ohne dass sie in die Kategorie der (verstärkten) Likörweine gehören.

Die klimatisch günstigen Voraussetzungen für die Gewinnung zuckerreicher Moste führten auch in außereuropäischen Anbauregionen zu einer bemerkenswerten Süßweinproduktion. Berühmtes Beispiel dafür ist der südafrikanische Constantia, der im 18. und 19. Jahrhundert als Dessertwein in Europa geschätzt wurde.


Weinhaltige Getränke

Hierbei handelt es sich um Mischgetränke, bei denen der Weinanteil mindestens 50 Prozent betragen muss. Weinhaltige Getränke können aus Wein(-Verschnitten), Likörwein, Schaumwein oder Perlwein bestehen. Für weinhaltige Getränke besteht keine Alkoholbegrenzung. Für ihre Herkunftsangabe ist das Land ihrer Produktion und nicht die Herkunft der bei der Herstellung verwendeten Weine entscheidend. Ein „deutsches“ weinhaltiges Getränk kann somit z. B. mit italienischen oder französischen Weinerzeugnissen hergestellt werden.

Der geharzte Retsina aus Griechenland und Zypern gilt dem Gesetz gemäß trotz seines Harz-Zusatzes nicht als weinhaltiges Getränk, sondern als Wein.


Aromatisierte Getränke

Zu den bekanntesten aromatisierten weinhaltigen Getränken gehören Kalte Ente, Bowle, Punsch, Glühwein oder Sangria (Clarea). Zu ihrer Herstellung werden natürliche Aromastoffe oder Aromaextrakte verwendet. Ihr Alkoholgehalt muss mindestens 7° und höchstens 14,5° betragen. Der Weinanteil beträgt mindestens 50%, bei aromatisieren Schaumweinen mindestens 95%.

Als Wein-Aperitif wird ein aromatisierter Wein bezeichnet, dessen Weinanteil mindestens 75% beträgt. Sein Alkoholgehalt beträgt mindestens 14,5° und maximal 22°. Bei ihrer Erzeugung dürfen ausschließlich natürliche Aromastoffe verwendet werden. Populärster Vertreter dieser Gruppe ist Wermut(wein).


Medizinwein

Die Jahrtausende alte Wirksamkeit des Weines als Heilmittel schließt auch jene Elixiere ein, die aus einer Mischung aus mannigfachen Kräutern, Pflanzenextrakten und vielfältigsten anderen Stoffen mit Wein bestehen. Sie dienen weniger dem Genuss als der physischen (und psychischen) Stärkung und Heilung bei Krankheiten aller Art. Für die antike Heilkunde besaßen sie ebenso wie für die Klostermedizin der Mönche und die spätere „Volksmedizin“ große Bedeutung.

Die Buchillustration aus dem berühmten „Theatrum Sanitatis“ (14. Jh.) zeigt eine Weißweinverkostung, bei der offenbar (wohl zur Förderung von Genuss und Bekömmlichkeit) Kräuter gereicht werden.

Ihrer Zusammensetzung und Funktion entsprechend gelten für die Herstellung der Medizinal- oder Arzneiweine daher nicht die Vorschriften des Weingesetzes, sondern des Deutschen Arzneimittelbuches (DAB). In der ersten 1872 erschienen Ausgabe führte das pharmazeutische Standardwerk ein halbes Dutzend bekannter Medizinweine mit Rezepten auf, so unter anderem Chinawein, Pepsinwein und Kräuterwein. In späteren Ausgaben fanden sich diese Einträge nicht mehr. Aktuell wird im DAB lediglich noch Likörwein vorgestellt, da er zur Bereitung von Medizinweinen häufig verwendet wird.


Weinähnliche Getränke

Wein ist das namensgebende Erzeugnis für eine schillernde Vielfalt von Getränken. Mangelte es an Trauben zur Weingewinnung, dann wurden über Jahrtausende mit anderen Ingredienzen Getränke erzeugt, die als „Wein“ bezeichnet wurden. Anleitungen zu ihrer Herstellung und zum Gebrauch füllten zahllose Haus- und Kräuterbücher und in der früheren Weinliteratur wurden sie mit zahlreichen Rezepturen ausführlich behandelt.

Nicht mit weinhaltigen Getränken zu verwechseln sind weinähnliche Getränke. Sie werden aus der alkoholischen Gärung von Obst- und Beerensäften oder anderen zuckerhaltigen Stoffen wie Honig, Malz, Reis oder auch Knoblauchzehen gewonnen.

Am bekanntesten sind die Obst- und Beerenweine, die vor allem in Gegenden gekeltert werden, in denen keine Weintrauben wachsen. In diese Kategorie gehören der Apfelwein sowie die Vielzahl von Beerenweinen, vornehmlich aus Johannisbeeren, Stachelbeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren, Kirschen und Hagebutten.

Die Palette weinähnlicher Getränke weist weltweit eine grenzenlose Vielfalt auf. Sie beginnt bei den bereits genannten Weinen aus Kern-, Beeren- und Steinobst, wie sie vor allem im mittel- und nordeuropäischen Raum erzeugt werden, setzt sich fort über Weine aus Orangen, Rhabarber, Reis (Sake) oder Malz.

Dazu kommen die bekannten exotischen Spezialitäten wie Palmwein (Toddy) aus dem Saft der Dattelpalme, Pulque, der mexikanische Agavenwein, der amerikanische und kanadische Ahornwein, schließlich auch das Traditionsgetränk der alten Germanen, der Met (Honigwein), sowie Weine, die aus verschiedenen Getreidearten produziert werden (zum Beispiel Kwass aus Gersten- oder Roggenmalz). Auch aus Milch kann man alkoholische Getränke gewinnen. Die bekanntesten, wie Kefir oder Kumys, stammen ursprünglich aus dem Kaukasus.