Gärung der Weiß- und Rotweine

Wein entsteht durch (Ver-)Gärung des Traubenmostes. Initiiert wird die alkoholische - erste - Gärung durch Enzyme (Fermente) der Weinhefen. Diese Fermentation (lat. Gärung) bewirkt durch chemische Umsetzung die Bildung von Alkohol sowie Nebenprodukten, vor allem Aroma- und Farbstoffen. Milchsäurebakterien (und zum Teil auch Hefen) können eine zweite Gärung bewirken, bei der unter bestimmten Bedingungen (z. B. Wärme) Äpfelsäure in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt wird. Diese zweite Gärung wird als Milchsäuregärung (Malolaktische Gärung) oder als biologischer Säureabbau bezeichnet. Art und Technik der Gärung (z. B. spontane oder mit Reinzuchthefen gelenkte oder geführte Gärung bestimmen nicht unwesentlich die sensorische Beschaffenheit des Weines.


Gärungs-Forschung

Die stoffliche Umwandlung von zuckerhaltigen in alkoholische Flüssigkeiten ist seit Urzeiten bekannt. Doch erst ab dem 19. Jahrhundert wurden die bislang nur empirisch geläufigen vielschichtigen Vorgänge der Gärung allmählich entschlüsselt. Grundlage dazu war die naturwissenschaftliche Pionierarbeit von Antoni van Leuwenhoek, der 1680 mit dem von ihm konstruierten Lichtmikroskop im gärenden Bier Mikroorganismen in Form von Hefezellen fand. Antoine Lavoisier entdeckte 1798, dass Zucker durch die Gärung in Alkohol zerfällt. 1810 stellte Joseph Louis Gay-Lussac die experimentell entwickelte Gärformel auf:

Abweichend von dieser Formel ergeben 100 g Zucker in der Gärung durchschnittlich nur 47 g Alkohol, der restliche Anteil entfällt auf Nebenprodukte.

Die Meinung von Justus von Liebig, die Gärung beruhe ausschließlich auf chemischen Prozessen (1839 veröffentlicht), wurde von Louis Pasteur widerlegt mit seinen 1857 publizierten Entdeckungen der Hefen und Mikroorganismen als Gärungserreger. Er stellte fest, dass sich neben Alkohol und Kohlensäure (Kohlendioxid) bei der Gärung auch andere Stoffe wie Glyzerin, flüchtige Säuren, Bernsteinsäure (verwandt mit Äpfel- und Weinsäure) und Acetaldehyd, entwickeln. Außerdem konnte er belegen, dass durch Hitze („Pasteurisieren“) die Gärung gestoppt wird.

„Neu trifft Alt“: in einem Niersteiner Gewölbekeller liegen traditionelle Holzfässer und moderne Tanks einträchtig nebeneinander; historische Gär- und Lagergefäße aus Ton in einem andalusischen Weinkeller, wie sie schon zu römischen Zeiten genutzt wurden. Sie fassen 1.500 bis 5.000 Liter und ermöglichen die Bildung von Florhefen auf der Oberfläche des Weines, die für die Erzeugung von Sherry typisch sind.




Hefen

Der Verlauf der alkoholischen Gärung und Entstehung ihrer Produkte hängt von unterschiedlichsten Faktoren ab, die den biochemischen Vorgang der Gärung beeinflussen, wie vor allem Temperatur (optimal etwa 25 – 28 ° C), Sauerstoff, Zucker- und Alkoholgehalt sowie Zugabe von schwefliger Säure.

Vorwiegend wird die alkoholische Gärung von einzelligen Organismen, den Hefen oder Hefepilzen, ausgelöst, die in der Luft, in oberen Bodenschichten, vor allem aber auf den Schalen von Beeren vorkommen. Von hier gelangen sie als Gärungserreger in den Most, wo sie sich auf ungeschlechtlichem Wege durch Sprossung vermehren. Unter den zahlreichen Heferassen kommen für die alkoholische Gärung des Weines nur die echten Weinhefen in Betracht.

Seit etwa Mitte der 1970er Jahre veränderte sich die Gärungstechnik vor allem für die Weißweingewinnung. Es erfolgte die Abkehr von der spontanen Gärung, die bei gesunden Trauben durch bodenständige („natürliche“) Hefen aus dem Weinberg ausgelöst wird, die jedoch schwer zu kontrollieren und zu steuern ist. Gleichwohl findet die Spontangärung auch heute noch ihre Befürworter, die einen Teil der Gärung gelegentlich mit der Zugabe von Reinzuchthefen (in diesen Verbindungen auch als fertiges Produkt aus mehreren Hefestämmen verfügbar) unterstützen. Wenn der meist längere Gärverlauf – vor allem bei nicht optimalem Most - auch diffiziler zu steuern ist, so können auf diese Weise doch recht komplexe, aromabetonte Weine mit dezentem Restzuckergehalt und moderater Säure (aufgrund des biologischen Säureabbaus) entstehen.

Längst etablierte und die Gärtechnik dominierende Gärungserreger sind die Reinzuchthefen. Deren Hefestämme leiten sich jeweils von einer einzigen, aufgrund ihrer speziellen Eigenschaft besonders ausgewählten Hefezelle ab, die durch Hefepopulation isoliert und durch Sprossen vermehrt wurde. Mit dem Einsatz von Reinzuchthefen entstand eine entscheidende Grundlage für neuzeitliche Kellertechnik, die weltweit zur Steigerung der Weinqualität beiträgt.

Im „Geisenheimer Schaufass“ (der Hochschule Geisenheim University) links: vergorener Jungwein mit Staub- oder Flughefe; rechts nach der Selbstklärung und vor dem Abstich.

Inzwischen steht eine kaum zu überblickende Vielzahl unterschiedlichster Reinzuchthefen für sämtliche Weinarten, Weintypen und entsprechende Gärverfahren zur Verfügung. In Abstimmung auf die Beschaffenheit des Mostes (mit hohem oder geringem Nährstoffanteil) können gärstarke und gärschwache Hefen eingesetzt werden. Insgesamt bieten sie im Gegensatz zur kaum zu beeinflussenden spontanen Gärung große Sicherheit für den Ablauf des jeweils gewünschten Gärungsprozesses sowie eine sensorische Ausprägung des Weines hinsichtlich Körper, Frucht und - meist exotischer - Aromen (mit „Aromahefen“).

Reinzuchthefen der „neuen Generation“ fördern vor allem den Terroir-Aspekt im Wein, indem sie die charakteristischen Merkmale der Rebsorte, Lage und des Bodens betonen. Dazu zählen auch „Wildhefen“, die dem Wein Komplexität und Cremigkeit verleihen. Vor allem aber versprechen sie ein hohes Gärpotential und Gärsicherheit. Die Möglichkeit ausgewählte Reinzuchthefen miteinander zu kombinieren, erschließt dem ambitionierten Weinmacher ein ebenso verlockendes wie spannendes Experimentierfeld.


Weißwein-Gärung

Der Gärungsablauf richtet sich nach der Art des Mostes und des daraus zu erzeugenden Weines. Die Moste von Weißweinen werden anders vergoren als die von Rotweinen. Bei der Gärung von Weißwein-Most mit mehr als etwa 120° Oechsle, die von gärkräftigen Hefen eingeleitet wird, kann nicht mehr der gesamte Zuckergehalt in Alkohol umgewandelt werden, so dass ein Restzuckergehalt verbleibt.

Der verbreitete Gäraufsatz ist die Neßler’sche Gärröhre aus Glas, die auf einem Kork- oder Gummistopfen im Spund des Holzfasses sitzt. Das zweifach u-förmig gebogene Rohr bildet einen gasdichten Abschluss und verhindert das Entweichen von Kohlenstoffdioxyd und ermöglicht somit, dass die Gärungskohlensäure zurückgehalten wird. Sie erleichtert optisch die Kontrolle der Gärung und der Nachgärung.

Ebenso wie Maischen und Keltern für die Qualität des späteren Endproduktes entscheidend ist, gilt dies in noch stärkerem Maße für die alkoholische Gärung. Jeder Gärungsablauf ist einmalig und nicht reproduzierbar, selbst wenn dafür identische Bedingungen (Mostqualität, Gärtechnik, Reinzuchthefe) vorliegen.

Nahezu jede Gärung erfolgt ohne Sauerstoffzufuhr (anaerob). Aus diesem Grunde verläuft die Gärung im geschlossenen Behältnis. In den meisten, vor allem größeren Betrieben, stehen dafür Tanks aus Edelmetall oder Kunststoff (früher gelegentlich auch Großbehälter aus Beton) mit einem Volumen von einigen hundert bis zu mehr als 100 000 l zur Verfügung. Der bei der Gärung übliche Temperaturanstieg wird durch Kühlanlagen (Kühlmantel) reguliert, um einen vorzeitigen Gärstopp („versieden“) zu vermeiden. Bei Druckgärtanks wird die während der Gärung entweichende Kohlensäure für die jeweilige Gärführung genutzt.

Im Gegensatz dazu wird bei der Gärung im Holzfass zur Vermeidung von Sauerstoffkontakt mit dem zu vergärenden Most auf den Spund des Fasses als Luftabschluss ein Gäraufsatz (Gärtrichter aus Keramik) gesetzt, bei dem die entweichende Kohlensäure optisch (als Bläschen im Glasgärspund) oder akustisch (durch Gluckern im Gärtrichter) kontrolliert werden kann. Dadurch wird der Most vor Luftzufuhr und dem Eindringen unerwünschter Mikroorganismen geschützt.

Edelstahl ist für die technologisch moderne Ausstattung des Weinkellers das Material der Wahl. Er ist hygienisch, luftdicht (kein Entweichen der Aromen und Zutritt von Luft) und ermöglicht leichte Reinigung ohne Chemikalien (verhindert den Ansatz von Weinstein). Die breite Palette der Produkte umfasst nahezu alle Größen und Formen. Sie können sowohl als Liege- oder Standtank für Gärung als auch für die drucklose Lagerung der Weine genutzt werden.

Die Gärung des Traubenmostes verläuft in drei Phasen. Sie beginnt mit dem Angären, in dessen Verlauf bereits ein Gäraufsatz verwendet wird, auch wenn noch nicht viel Kohlensäure entweicht. Zu Beginn der Gärung drückt die sich entwickelnde Kohlensäure die noch im Most vorhandenen festen Bestandteile nach oben. Dabei entwickeln sich sowohl in den Resten des Traubenmarks als auch in der sich später bildenden sogenannten Trubdecke Hefen, die sich allmählich auf den übrigen Teil des Fassinhaltes verteilen.

Nach ein bis zwei Tagen setzt die eigentliche stürmische Gärung durch starke Vermehrung der Hefen ein. Bei hohem Anteil von Trubstoffen verläuft sie sehr lebhaft und rasch, bei gut vorgeklärtem Most entsprechend ruhiger und langsamer. Sie dauert ein bis zwei, selten jedoch drei Wochen. Für die gewünschte Frische, Fruchtigkeit des Weines und den Erhalt möglichst vieler sortentypischer Aroma- und Bukettstoffe im Wein ist es entscheidend, dass die Gärung nicht zu schnell verläuft.

Wenn die Bildung von Kohlensäure durch den aufgebrauchten Zuckergehalt oder Temperaturveränderungen nachlässt, kommt es zur fast stillen Nachgärung. Jetzt bildet sich der Federweiße, während der sogenannte Sauser oder Bitzler ein Produkt der stürmischen Gärung ist. Federweißer ist der noch ungeklärte Jungwein von milchigweißer bis hellgelber Farbe.

Zu diesem Zeitpunkt ist das Verwirbeln der Trubteile im Most beendet. Während die Temperatur des Jungweines sinkt, wird ein Teil des im Most und Wein enthaltenen Weinsteins ausgeschieden. Dabei handelt es sich um das Salz von Kalium und Weinsäure, deren rhombische, geruch- und geschmacklose Kristalle einen kristallinen Niederschlag am Fassboden und später zuweilen in der Flasche bilden.

Für die Erzeugung lieblich-fruchtiger Weine mit einem geschmacklich gewünschten Restzuckergehalt wird die Gärung unterbrochen. Dieser Gärstopp wird überwiegend durch Abkühlen (auf 6 bis 8° C), Druck oder Schwefelung sowie Filtration erreicht.


Biologischer Säureabbau

Enthält der Jungwein einen hohen Anteil an Äpfelsäure und entsprechend günstige pH-Werte (= Messzahl für den sauren und basischen Charakter des Weines, beste Voraussetzungen bei pH-Werten von 3,2 - 3,3), dann setzt bei bestimmten Temperaturen die „zweite„ Gärung ein, die als biologischer Säureabbau, korrekter als Äpfel-Milchsäure-Gärung oder malolaktische Gärung (frz.: fermentation malo-lactique) bezeichnet wird. Ein spezielles Enzym der Milchsäurebakterien bewirkt die erneute Bildung von Kohlensäure, es tritt wiederum eine Trübung ein. Dabei wird der Gehalt an freier Säure reduziert. In dieser Phase wird die zweibasische, geschmacklich sauer wirkende Äpfelsäure in die einbasische, vom Geschmack her milder wirkende Milchsäure umgewandelt.

Trotz der oftmals hohen natürlichen Säure deutscher Weißweine ist bei ihrer Gärung ein biologischer Säureabbau selten, zumal sie dem geschmacklichen Grundtyp des deutschen Weines wenig entspricht. Bei den Weißweinen der Schweiz und auch in anderen Weinbauländern trägt der biologische Säureabbau entscheidend zum Charakter der Weißweine bei. Im Gegensatz zum Weißwein erfolgt bei der Mehrzahl der Rotweine der biologische Säureabbau durch Milchsäurebakterien.

Da den meisten Weißweinen eine bestimmte frische, lebhafte, spritzige Art eigen sein sollte, wird in der modernen Kellerwirtschaft großer Wert auf die Erhaltung der natürlichen Kohlensäure gelegt. Je höher die Gärtemperatur ist (vor allem bei der stürmischen Gärung), desto größer ist auch der Verlust an Kohlensäure. Weine, die weniger als 0,5 g/l Kohlensäure enthalten, wirken selbst im jugendlichen Stadium bereits schlaff, matt und müde. Der Eindruck eines spritzigen Weines ergibt sich meist bei einem Kohlensäuregehalt von etwa l Gramm pro Liter. Steigt der C02-Gehalt über 1,3 Gramm pro Liter dann kann der betreffende Wein scharf, unruhig und unharmonisch schmecken.

Das Entweichen der Kohlensäure während des Gärprozesses macht im Weinkeller besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, da das C02-Gas bereits ab einem Anteil von weniger als 5 Prozent an der Atemluft zu Atmungsbeschwerden, bei einer Konzentration von 5 bis 7 Prozent zu Schäden und gefährlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. Um das Vorkommen dieses geruchlosen Gases in der Luft eines Gärkellers oder Gärbehälters feststellen zu können, wird zur Kontrolle offenes Kerzenlicht eingesetzt, das bei einem Kohlensäureanteil von mehr als 10 Prozent erlischt.


Gärtemperaturen

Schon die Römer hatten registriert, dass kalte Luft die Gärung unterbindet. Andererseits kommt die Gärung bei einer Temperatur von etwa 30° Celsius allmählich ins Stocken und hört bei 40° Celsius schließlich ganz auf. Entsprechende Maßnahmen in den südlichen Weinbauländern, wie Kühlaggregate im Gärkeller, verhindern den Stillstand der Gärung bei zu hohen Herbsttemperaturen.

Bei dem chemischen Vorgang der Gärung wird Wärme in beachtlichem Maße frei. Bei einer Tem¬peratur von 13° C im Gärkeller steigt während der Gärung die Temperatur des Mostes in Fässern von 600 Litern um 6 bis 9° C, in Fässern von 1200 Litern um 8 bis 12° C, in einem Fass von 4 800 Litern und in einem Fass von 7 200 Litern um 20° C an.


Temperaturkontrollierte Gärung

Die traditionelle Methode der Gärung im Holzfass wurde ab etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts in vielen, vor allem größeren Betrieben durch die Gärung im großen Behältnis abgelöst. Speziell im Metalldrucktank ist ein gelenkter oder geführter Ablauf der Gärung möglich, da die meisten Heferassen ihre Tätigkeit bei einem C02-Überdruck von 7 Bar einstellen. Die Tankgärung, die erstmals schon vor 50 Jahren praktiziert wurde, bietet bei zwischenzeitlich ausgereifter Technik in den verschiedensten Varianten vor allem die Möglichkeit, ein Optimum an Gärsicherheit zu erreichen.

Trotz einiger Schwierigkeiten, die bei diesen Verfahren nicht ganz auszuschließen sind (insbesondere bei der Verarbeitung qualitativ kleiner, nicht reifer Moste) bietet der Drucktank den Vorzug, mittels gekühlter Gärung (bei Temperaturen unter 10° C und eventueller Zugabe von Kaltgärhefen) eine gleichmäßige Gärung zu erreichen, bei der - teilweise auch aus säurearmen Sorten - frische, fruchtige und duftige Weine gewonnen werden, deren natürlicher Alkoholgehalt weitgehend erhalten bleibt und die einfacher zu klären sind. Zudem ist das Ausscheiden von Weinstein besser gewährleistet als bei der Vergärung im Holzfass. Die temperaturkontrollierte Gärung ist vor allem in Ländern mit relativ hohen Temperaturen in den Herbstmonaten von Bedeutung, da die Gärung unbeeinflusst von Außentemperaturen verläuft.


Rotwein-Gärung

Wie beim Weißwein richtet sich auch die Rotweingärtechnik nach Prämissen wie Erzielung prononcierter sorten- und gebietstypischer Merkmale. Klassische sensorische Eigenschaften wie Harmonie, Struktur und Fülle spielen außerdem eine große Rolle. Dazu kommen Faktoren wie Farbe, Gerbstoffgehalt und Reife, die als Qualitätsmerkmale für Rotweine von Bedeutung sind. Diese Aspekte müssen bereits während der Maischegärung berücksichtigt werden, bei der die überwiegend in den Beerenschalen befindlichen Farbstoffe gelöst werden. Mechanische Verfahren allein genügen hierbei nicht.

Aus der Maische entrappter Trauben entsteht Rotweinmost, der sich nach Vorklären und Abziehen („Entschleimen“) im „Geisenheimer Schaufass“ bereits relativ sauber präsentiert.

Dies wird durch den bei der Gärung entstehenden Alkohol sowie Hitze erreicht, indem die Zellen der Beerenschalen zerstört und die darin enthaltenen Farbstoffe (Anthocyane) herausgelöst werden. Bei vielen Rotweinen aus südeuropäischen und außereuropäischen Weinbauländern ist die Farbstoffgewinnung unproblematisch, da Trauben mit einem höheren Mostgewicht (Zuckergehalt) oder höherem Alkoholgehalt auch einen höheren Gehalt an Farbstoffen aufweisen.

Die jeweiligen Methoden und technischen Verfahren der Maischegärung haben jedoch nicht nur Einfluss auf die Gewinnung der Farbstoffe, sondern auch auf die Gerbstoffe, die aus den Schalen und Kernen der Beeren gelöst werden und das Geschmacksbild eines Rotweines entscheidend bestimmen. Der jeweilige Anteil an Önotannin prägt den Charakter eines Rotweines entscheidend, er kann ihn rauh, gerbig, kratzig, aber auch samtig oder rund schmecken lassen.

Schließlich hat die Erhaltung der Bukettstoffe, die beim Rotwein das Profil der Sorte kennzeichnen, Bedeutung. Für die Erzeugung harmonischer Rotweine wird eine relativ kurze Maischegärung angestrebt, die verhindert, dass zu viel Gerbstoff gelöst wird. Um in dieser Zeit eine intensive Farbausbeute zu erreichen, werden Wärmeenergie oder auch Enzyme genutzt, die freilich auch eine Intensivierung der Gerbstoffübertragung auf den Wein bewirken.

Je nach Weinbauland und Region, Art und Größe des Betriebes werden heute die unterschiedlichsten Maischegärverfahren eingesetzt, angefangen bei den offenen Behältern, in denen die Maische-Erwärmung durch Tauchsieder erfolgt, bis zu kontinuierlichen Verfahren, bei denen die Maische erwärmt, erhitzt oder gekühlt wird.

Maischegärtank aus Holz und moderner Gärtank für Rotweinmaische aus Edelstahl, der eine schonende Verarbeitung der Trauben ermöglicht, geringen Trub und eine gute Extraktion von Farb- und Aromastoffen durch moderne Tauchsysteme ermöglicht (im Bild: Speidel Tank)

Für die Gewinnung relativ leichter und heller Rotweine, die bereits wenige Monate nach dem Ausbau trinkfertig sind, wird die Kohlensäuremaischung (Maceration carbonique) praktiziert, bei der die reifen, unverletzten Trauben unter Kohlensäuredruck für etwa zwölf Tage eingelagert werden. Dabei kommt es innerhalb der Beere zu einer Alkoholbildung, die zur Extraktion von Farb- und Gerbstoffen führt. Anschließend werden die Beeren abgepresst, und es schließt sich die Endvergärung an. Die auf diese Weise erzeugten Weine zeichnen sich vor allem durch Aromareichtum aus.

Um farbstoffarmen Rotweinen zu den gewünschten intensiveren Farbtönen zu verhelfen, gibt es länderspezifisch verschiedene Möglichkeiten von Zusätzen. So wird in Italien zum Beispiel Önocyanin, ein aus Traubenhülsen gewonnener Extrakt, zugesetzt. Viele Jahre lang hat der Zusatz von Deckrotwein (vielfach aus Spanien kommend) die Farbe deutscher Rotweine vertieft. Das wird inzwischen durch Verschnitt mit Weinen, die aus in Deutschland angepflanzten Deckrotweinsorten stammen (Domina, Kolor, Rotberger, Dunkelfelder) besorgt. Auch die Zugabe von Süßreserve aus farbintensiven Traubenmosten ist eine Möglichkeit, tiefrote und zugleich halbtrockene bis liebliche Rote herzustellen.

Nach Beendigung der Maischegärung wird der Jungwein von der als „Hut“ auf dem Wein schwimmenden Maische getrennt und diese ausgepresst (Abwirzen). Der eingelagerte Jungwein, der zuvor grob geklärt wurde, gelangt zur Nachgärung. Daran schließt sich der biologische Säureabbau an, der bei Rotwein die gewünschte Säurereduzierung bewirkt. Falls trotzdem erforderlich, kann zusätzlich eine Entsäuerung des Weines vorgenommen werden, da gerade höhere Säurewerte bei Rotweinen geschmacklich störend wirken.

Mehr als bei der Weißweingärung werden bei der Rotweingewinnung immer noch traditionelle Prozesse bevorzugt. Zwar wird weniger die offene Gärung in Butten oder Betonbecken, in denen die Maisch manuell bewegt wird, praktiziert. Jedoch erfolgte die Maischegärung geschlossen und gelenkt vielfach im Holzfass oder auch in Maischegärtanks.


Rosé und Rotling

Zur Erzeugung von Roséwein (Weißherbst) werden die Rotwein-Trauben wie bei der Weißweinbereitung nach dem Mahlen unmittelbar abgepresst. Je intensiver der Nachdruck beim Pressen und je länger die Maische steht, desto dunkler wird die Farbe des Weines. Durch Vorklären des Mostes erreicht man eine leuchtend helle Farbe bei Roseweinen. Maische, die leicht angegoren wurde, oder Gemisch aus Weiß- und Rotweintrauben dienen zur Herstellung des Rotlings (Schillerwein, Süßdruck, Krätzer).


Gärtechnik bei Spezialitäten

Viel Sorgfalt erfordert die Gewinnung von Auslesen und Eisweinen während des Kelterns und Vergärens. Die Gärung von Auslesemosten wird durch die Zugabe von Reinzuchthefen unterstützt. Die Gärung sollte möglichst rasch ablaufen. Der Restzuckergehalt, der für Ausleseweine vielfach sehr typisch ist, wird heute nicht mehr durch Abstoppen der Gärung gewonnen, das eine höhere Schwefelung notwendig macht, sondern nach der Schönung durch Süßung mit vor der Gärung entnommenem Most (Süßreserve).

Die überreifen Beeren der Beerenauslesen und die überreifen, weitgehend eingeschrumpften Beeren der Trockenbeerenauslesen werden in kleineren Keltern gepresst, die Trockenbeeren zuvor in einem Gefäß gestampft. Man lässt sie meist ein bis zwei Tage ziehen. Auch die Gärung erfolgt in kleineren Gebinden unter Zusatz von Reinzuchthefen. Aufgrund der hohen Mostgewichte verläuft sie langsam und kann zuweilen mehrere Monate dauern.

Eine spezielle Technik ist schließlich auch bei der Eisweinbereitung wichtig. Die gefrorenen Beeren werden zunächst gemahlen, damit die in ihnen enthaltene Konzentration der Extraktstoffe frei wird. Es schließt sich unmittelbar ein leichtes Pressen an, um den Austritt des Konzentrates nicht zu behindern. Der Vorgang dauert etwa drei bis vier Stunden, zwischendurch muss der Inhalt in der Kelter manuell aufgekrümelt werden. Für die Gärung ist es erforderlich, den vorgeklärten Most mit Reinzuchthefe zu versehen und eventuell auch leicht anzuwärmen. Um dem Eiswein seinen charakteristischen Restzucker zu erhalten, erfolgt kein vollständiges Durchgären.