Anbau, Veredelung und Züchtung

Bereits in der Antike wurden Reben an dafür besonders ausgewählten Standorten gepflanzt. Der Weinstock gehört an den Hang, das Getreide in die Ebene - so praktizierten es schon die Römer. Die Leistungsfähigkeit eines Weinberges hängt neben geologischen und topographischen Faktoren vor allem von klimatischen Kriterien ab, die pflanzenphysiologischen Bedingungen gerecht werden sollten. Diese Anforderungen werden vornehmlich in gemäßigten Klimazonen erfüllt. Sie liegen auf der nördlichen Erdhalbkugel zwischen dem 30. und 51. Breitengrad und in der südlichen Hemisphäre zwischen dem 30. und 40. Breitengrad.

Traditioneller Rebanbau am Rhein und expansiver Weinbau in Südafrika












Seit einigen Jahrzehnten werden Weinreben auch außerhalb dieser Zonen gepflanzt. Dafür stehen speziell gezüchtete Rebsorten zur Verfügung, die ausgeprägte Frosthärte besitzen oder Wachstum in heißen, trockenen Bereichen ermöglichen. Mit der Rebenzüchtung wurden jedoch nicht nur Sorten für klimatisch extreme Bedingungen geschaffen, sondern vor allem Reben mit hoher Resistenz gegenüber Schaderregern. Erhaltungszüchtung und Züchtung neuer Sorten sind nicht zuletzt auf zunehmende Qualitätsansprüche im Weinbau abgestimmt.

Parallel zu den sich daraus ergebenden Veränderungen des Rebsortimentes trägt die umfassende Mechanisierung des Weinbaus – von der Anlage des Weinbergs bis zur Traubenlese – zur Ausrichtung der Weinerzeugung auf wirtschaftliche, qualitätsbetonte und ökologisch-nachhaltige Ziele bei.


Rebpflanzung

Die zunehmende technische und ökonomische Optimierung des Rebanbaus verbunden mit der beträchtlichen Vergrößerung der Anbauflächen führten ab der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zur globalen Überproduktion, der mit einer Verringerung der Rebflächen-Expansion begegnet wurde. Zwischen 1990 und 2012 nahm die Ertragsrebfläche insgesamt um 10,6 % ab, in der Europäischen Union sogar um 14,3 %. (Hingegen ist in der Neuen Welt sowie in Asien weiterhin eine teilweise starke Zunahme zu verzeichnen.)

In den Weinbauländern der EU ist die Anpflanzung von Reben genehmigungs- bzw. meldepflichtig. Neuanpflanzungen sind durch einen Anbau-Stopp untersagt. (Eine von Brüssel vorgesehene Liberalisierung der bisherigen Pflanzrechte-Bestimmungen würde die bestehenden Verbote voraussichtlich ab 2016 aufheben. Schon bislang sind Rebpflanzungen auf maximal 10 ar nicht genehmigungspflichtig.) Wiederbepflanzungen dürfen weiterhin erfolgen, jedoch nur auf zuvor gerodeten Flurstücken, deren Eignung für den Weinbau belegt sein muss.

Da je nach Rebsorte die quantitative Ertragsfähigkeit der Reben nachlässt, ist die Erneuerung der Weinberge nach etwa 20 bis 35 Jahren erforderlich. Kürzere Zeitabschnitte für die Wiederbepflanzung kommen meist aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht, da die Kosten für die Neu- oder Umgestaltung eines Weinberges sich oft erst nach zwei Jahrzehnten auszahlen. (Die Kosten für l Hektar Weinberg belaufen sich in Deutschland bei einer Normalanlage für den Zeitraum von drei Jahren auf etwa 20 000 bis 25 000 € inklusive Arbeitskosten, ohne Kaufsumme oder Wert des Grundstücks, abzüglich Erlöse aus der l. Ernte im 3. Jahr.) Dies gilt vor allem für Pflanzungen in Steillagen und stark geneigten Hanglagen, in denen unter anderem zeitaufwendige und teure Bodenlockerung (Rigolen), Errichtung oder Ausbesserung von Stützmauern, Schaffung von Querrinnen sowie Verlegen von Drainagen für die Entwässerung kostenintensiv sind.

Weinbergsphähle aus Metall und Holz; Auszeilen und Setzen der Holzpfähle; Bohren des Pflanzloches; gegen Wildschäden geschützte Jungpflanze













In diesem Zusammenhang können größere - genehmigungspflichtige - Veränderungen der Geländestruktur vorgenommen werden. Sie umfassen zum Beispiel die Anlage von breiten, befestigten Fahrwegen, um bei wachsender Bedeutung der mechanischen Weinbergsarbeit auch den Einsatz größerer Geräte zu ermöglichen. Zunehmend werden in Hanglagen anstelle der in Gelände-Fallinie ausgerichteten Rebzeilen Querterrassen unterschiedlicher Breite (von 3 bis zu 50 Metern) für die Querbauweise von Rebzeilen geschaffen. Je nach Hangneigung und Bodenbeschaffenheit schließen sie Lauf- und Fahrterrassen ein. Damit wird eine wirtschaftlich verbesserte Bearbeitung des Weinberges sowie Verhinderung von Boden- und Wassererosion erreicht.

Querterrassierung in Hanglage mit schmalen Laufterrassen und befestigen Fahrwegen












Nach Aushauen und Entfernen der alten Reben wird das Gelände für die Pflanzung durch Vorrats- und Tiefen-Düngung und eine gründliche Bodenbearbeitung (Roden oder Rigolen) für die Pflanzung vorbereitet. Dazu gehört die bereits erwähnte Anlage von Wirtschaftswegen und Wasserrinnen. Es folgt das sogenannte Ab- oder Auszeilen mit dem der Abstand der einzelnen Pflanzstellen, die Durchgänge und Zeilenbreiten festgelegt werden. Pflanzdichte und Abstände der Zeilen und Gassen richten sich nach optimaler Besonnung, der jeweiligen Erziehungsart der Rebe und der Bewirtschaftungstechnik, die ihrerseits oft wiederum von der Topographie des Geländes abhängig ist.

Die entsprechend hergerichteten Weinberge werden – oftmals nachdem sie einige Jahre brach gelegen haben – meistens im Frühsommer oder Herbst wieder bepflanzt. Nach zuvor sorgfältiger Pflanz-Planung und -Berechnung (je nach Stockabstand und Gassenbreite werden für einen Hektar zwischen 1500 bis 7000 Pflanzreben benötigt) werden die Pflanzlöcher gegraben. Unmittelbar vor dem manuellen oder maschinellen Setzen werden die Pfropfreben mit Rückschnitt des Triebes und der Wurzel des Edelreises für die Pflanzung vorbereitet. Nach dem Einpflanzen wird der Setzling mit einem kleinen Pflanzpfahl markiert. Kurz darauf werden die eigentliche Unterstützungspfähle oder die Drahtrahmen für die Reberziehung angebracht.

Für die Reberziehung an Drahtrahmen werden als „Stickel“ Pfähle aus verschiedenen Materialien verwendet, wie – traditionell - runde Pfähle aus imprägniertem Holz oder moderne dauerhafte Pfähle aus Kunststoff, Metall, verzinktem Stahl oder Beton. Der Abstand der jeweiligen Pflanzstellen hängt von der Erziehungsart der Rebe ab. Neben wirtschaftlichen sind dafür vor allem klimatische Bedingungen ausschlaggebend. In Gebieten mit geringem Niederschlag und hoher Sonneneinstrahlung werden die Reben in größerem Abstand gepflanzt (Weitraumanlagen). Zweige und Blätter entfalten sich relativ dicht über dem Boden, der dadurch beschattet wird und nicht zu schnell austrocknet. Bei der Rahmen- und Stockerziehung hingegen sollen möglichst viele Blätter der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sein, die Auszeilung muss dabei speziell auf den Einfallwinkel der Sonneneinstrahlung im Tagesverlauf sowie auf Einflüsse von Wind und Niederschlägen ausgerichtet werden.

In den ersten Jahren nach der Pflanzung benötigt die Rebe im „Jungfeld“ bei den Laubarbeiten durch das Ausbrechen der Triebe sowie die Schädlingsbekämpfung und Bodenbearbeitung besondere Pflege. Sie umfasst auch schützende Maßnahmen gegen Wildverbiss, vor allem von Hasen und Kaninchen, die junge Triebe abfressen. Dagegen werden unterschiedlichste Verfahren eingesetzt, von Schutzhüllen, die über die Jungpflanze gestülpt werden, bis zu meist biologischen Schutzmitteln auf der Basis spezieller Geruchs- und Geschmacksstoffe. Ähnliche Abwehrmethoden werden auch zum Schutz älterer Reben eingesetzt, zu denen auch die aufwendige aber effektive Umzäunung der Rebanlage mit Maschendraht- und Elektrozäunen gehört.

Flurbereinigung in Hanglage, rechts oben nicht bearbeitete klein parzellierte Anlage; Drainage-Einrichtungen in Steillage und in Hanglage mit breiter Wegführung











Die Anlage neuer Ertragsflächen geschieht häufig im Zuge von Flurbereinigungsmaßnahmen, die mit staatlicher Unterstützung seit etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Weinbaugebieten zu Veränderung alter Kulturlandschaften und zu deutlichen Strukturverbesserung führen. Dabei wird das Gelände umgestaltet („Umlage“) und gegebenenfalls mit einem veränderten Rebensortiment (Rekonstruktion) wiederbepflanzt. Ziel dieser Maßnahme ist es, rationelle Arbeits- und Produktionsbedingungen zu schaffen, aber auch durch Anlage von neuen Wege- und Gewässernetzen zur Landschaftspflege und zum Naturschutz beizutragen. Der Arbeitsaufwand und die Produktionskosten verringern sich in flurbereinigten Anlagen gegenüber zersplitterten Parzellen etwa um die Hälfte.


Rebenveredelung

Für den Weinanbau kommen fast nur reblauswiderstandsfähige amerikanische Unterlagsreben (in Deutschland meist Kreuzungen von Berlandieri x Riparia) in Betracht, auf die reblausresistente Pfropfreben europäischen Ursprungs (Edelreiser) aufgepfropft werden. Diese Rebenveredelung wird von staatlich anerkannten Rebschulen vorgenommen, die zugleich auch Lieferanten des Pflanzmaterials sind.

In den wärmeren Weinbauregionen wird häufig die Veredelung direkt im Weinberg auf der gesunden Rebpflanze (Holz auf Grün-Veredelung) vorgenommen. Sie hat den Vorteil, dass bereits nach einem Jahr die Rebe wieder in einen – zunächst reduzierten – Ertrag kommt und somit in kürzeren Intervallen Erneuerungen des Rebsortimentes erfolgen können ohne die gesamte Pflanze auszuwechseln.

In den übrigen Fällen wird sie im Gewächshaus als sogenannte Tischveredelung durchgeführt. Bei der Handveredelung wird mit dem Veredelungsmesser ein Schrägschnitt an der Unterlagsrebe und ein entsprechender Schrägschnitt am Edelreis vorgenommen, anschließend werden beide Pfropfpartner an ihren Flachseiten zusammengeschoben. Bei diesem manuellen Verfahren kann die Veredelung nur mit dem sogenannten englischen Kopulationsschnitt erfolgen, während beim maschinellen Vorgang auch andere Formen wie der Jupiterschnitt, Lamellenschnitt oder der besonders wirtschaftliche Omegaschnitt angewendet werden können. Beim Omegaschnitt wird zuerst das Edelreis, sodann die von der anderen Seite einführte Unterlage von der Maschine geschnitten, dann wird das Edelreis in die Unterlagsrebe eingeschoben und schließlich die veredelte Rebe von der Maschine ausgestoßen.

Um sie vor dem Austrocknen zu schützen, wird sie in Veredelungswachs getaucht (paraffiniert) und dann zum Vortreiben in Kästen oder Treibhäuser gebracht, wo die Augen der Edelreiser austreiben. Sodann werden sie „eingeschult“, indem man sie in Gräben legt, die anschließend mit Erde aufgefüllt werden. Nach etwa einem halben Jahr, im November, erfolgt die „Ausschulung“. Bis sie im nächsten Frühjahr in die Weinberge gelangen, verbleiben sie in Kühlräumen bei einer Temperatur von +1° C und einer relativen Luft¬feuchtigkeit von nahezu 100 %. In diesem Stadium werden Pfropfkopf, Wurzeln, Borke und Triebe nochmals gründlich geprüft.

Intensivkulturen von Pfropfreben im Gewächshaus einer Rebschule, Einpflanzen der Pfropfrebe im Freigelände, paraffinierte Propfreben












Allein in Deutschland werden für die Rebenveredelung jährlich mehr als 40 Millionen Unterlagsreben und Edelreiser benötigt. Die Unterlagsreben werden in sogenannten Muttergärten in speziellen Erziehungsformen gezüchtet. Ein großer Teil der benötigten Unterlagsreben wird in großflächigen Anlagen in Oberitalien und Frankreich erzeugt. Auch für die Herstellung von Edelreisern gibt es spezielle Vermehrungsanlagen, die die Betriebe für Rebenveredelung beliefern.


Rebenzüchtung

Während die Rebenveredelung zum Schutz gegen die Reblaus vorgenommen wird, verfolgt die Rebenzüchtung andere, weiterführende Ziele. Sie dient der Verbesserung des Pflanzgutes, angefangen bei erhöhter Widerstandsfähigkeit gegen Rebkrankheiten bis zum Erreichen sicherer und zufriedenstellender Qualität. Rebenzüchtung bedient sich drei unterschiedlicher Verfahren: die Rebenselektion und Klonenzüchtung (Auslesezüchtung), die Mutationszüchtung sowie die Kreuzungszüchtung.

Die Klonenselektion strebt als Erhaltungszüchtung Stabilität und Langlebigkeit des Rebstockes unter Berücksichtigung verschiedenartigster Standorte an. Hinzu kommen zunehmende Widerstandsfähigkeit gegenüber negativen klimatischen Einflüssen wie Frost oder Trockenheit sowie Resistenz gegenüber bestimmten Pilzschädlingen. Diese Züchtungsmethode trägt vor allem dazu bei von Viren nicht geschwächtes Pflanzgut zu gewinnen und zu erhalten (Erhaltungszüchtung).

Geilweilerhof im pfälzischen Siebeldingen, Sitz des Institutes für Rebenzüchtung (Julius Kühn-Institut), und Forschungsanstalt für Wein- und Gartenbau (Hochschule Geisenheim University); hier: Gründungsgebäude















Dazu bedient sie sich der positiven Selektion, bei der aus einem Rebbestand sortentypische und besonders leistungsfähige Stöcke ausgelesen werden. Das Holz dieser Stöcke wird durch Stecklinge vermehrt, indem sie auf andere Reben aufgepfropft werden. Bei dieser vegetativen Vermehrung tritt keine Veränderung der Erbanlagen ein. Die sich daraus entwickelnden Pflanzen werden als Klone bezeichnet. Die Prüfung eines Klons dauert etwa 15 Jahre. Dieses langwierige Verfahren hat eine beachtliche Leistungssteigerung im Rebanbau zur Folge. Nach dem Saatgut- und Sortenschutzgesetz müssen die neuen Klone durch das Bundessortenamt anerkannt werden.

Bei der Mutationszüchtung werden Veränderungen der genetischen Erbinformationen genutzt, die sich in der Pflanze zufällig bilden. In der Entwicklungsgeschichte der Rebe führte die Mutation zur Bildung von vielen neuen Sorten mit veränderten Eigenschaften. So haben sich Weißweinsorten erst aus Rebsorten mit blauen Trauben gebildet. Bekannte Sorten, die durch Mutieren entstanden sind, sind unter anderem der Grauburgunder (Mutation des Spätburgunders), der Weißburgunder (Mutation des Grauburgunders) sowie die Rotweinsorten Frühburgunder, Samtrot und Schwarzriesling (Samtrot), die Mutationen des Spätburgunders sind.

Die Mutationszüchtung kann entweder auf natürliche Weise erfolgen, indem ein Trieb der mutierten Rebe durch Pfropfung oder über Stecklinge zur Vermehrung gebracht wird oder künstlich mittels spezieller Einwirkung auf Teile der Rebpflanze sowie Stecklinge oder Samen.

Einen entscheidenden Beitrag zu heutigen Rebsortimenten lieferte die Kreuzungszüchtung. Sie basiert auf den beträchtlichen Vorräten in den Erbmassen der Reben. Wie die meisten Kulturpflanzen entstanden in längeren Zeiträumen zahlreiche bekannte Rebsorten auf gleichsam natürlich Weise aus Kreuzungen, wie DNA- bzw. DNS-Erbsubstanz-Analysen bestätigen.

Sie dokumentieren, dass bestimmte „Leitsorten“ häufig Elternteile vieler traditioneller Sorten sind. Dazu zählen in erster Linie die vor Jahrhunderten weit verbreitete Sorte Heunisch (für minderwertige „hunnische“ Weine, mit vielen Varietäten, wird inzwischen nicht mehr angebaut) und der Traminer (ebenfalls mit vielen Spielarten, für hochwertige „fränkische“ Weine).

Aus „natürlichen“ Kreuzungen von Burgunder-Sorten mit Heunisch entstanden Chardonnay, Auxerrois und Aligoté. Bei der Entstehung von Burgunder-Sorten sowie Sauvignon blanc, Silvaner und Grüner Veltliner wiederum war der Traminer beteiligt. Elternteile des Cabernet Sauvignon sind Cabernet franc und Sauvignon blanc.

Dass DNA-Analysen indes auch zu wissenschaftlich unterschiedlichen Ergebnisse gelangen können, zeigt die „Entschlüsselung“ der Abstammung der Müller-Thurgau-Rebe, von der man jahrzehntelang annahm, sie sei das Ergebnis einer Kreuzung von Riesling x Silvaner, wie ihre Bezeichnung in der Schweiz auch heute noch vermuten lässt, oder von zwei Varianten der Rebsorte Riesling. Die Aufzeichnungen von ihrem Züchter, Prof. Hermann Müller (aus dem Kanton Thurgau) und seiner Mitarbeiter geben darüber keine eindeutigen Antworten. Als ampelographische Sensation wurde das Analysen-Resultat gefeiert, nach dem der Müller-Thurgau als Kreuzungseltern die Sorten Riesling x Chasselas de Courtillier aufweist. Eine weitere DNA-Analyse des Instituts für Rebenzüchtung Geilweilerhof (Siebeldingen/Pfalz) ermittelte anstelle des Chasselas indes die Rebsorte Madeleine royale.

Bereits seit der Antike gibt es Bemühungen, die Leistungsfähigkeit der Kulturreben durch Samenvermehrung zu verbessern. Dabei wurden jedoch keine großen Erfolge erzielt, weil die Leistungen der Reben auf speziellen Kombinationen zahlreicher Gene (Erbanlagen) beruhen und diese nicht auf dem Wege der Selbstbefruchtung, wohl aber durch Kreuzung optimiert werden können. Diese Kreuzungen erfolgen durch Fremd-Befruchtung und Samenvermehrung.

Bei der Kreuzung wird das Geschein (Blüte) einer Rebe durch Pollen einer anderen Art oder Sorte - künstlich - bestäubt beziehungsweise befruchtet (s. Fotos unten). Auf diese Art werden verschiedene Erbanlagen zusammengebracht. Aus dieser Kombinationszüchtung werden Sorten mit neuen Eigenschaften gewonnen, die sie bereits als Sämling erkennen lassen.

Diese Sämlinge heißen Hybriden oder Bastarde. Während die daraus gewonnenen Weine früher einen speziellen „Fuchsgeschmack„ (Foxton) aufwiesen, sind die neuen pilzwiderstandsfähigen Kreuzungen frei von diesem unangenehmen Geschmacksbild.

Kreuzungen innerhalb der gleichen Art wie zum Beispiel der europäischen Vinifera-Sorten (vinifera x vinifera) werden als intraspezifisch, zwischen verschiedenen Arten (zum Beispiel vinifera x amerikanische Re¬ben wie riparia oder amerikanische Reben untereinander) als interspezifische Kreuzung bezeichnet. Sämtliche für den Rebanbau in Deutschland zugelassene Neuzüchtungen basieren auf Kreuzungen von Vinifera-Sorten. Bei den interspezifischen Züchtungen konnte die Forschung in den letzten Jahren einige bemerkenswerte Ergebnisse erzielen, indem besonders pilz- und frostresistente Sorten geschaffen wurden, deren Weine zudem von interessanten Geruchs- und Geschmacksstoffen geprägt sind.

Prominente Vertreter erfolgreicher Neuzüchtungen sind in Deutschland, einigen benachbarten Weinbauregionen und in Neuseeland der Müller-Thurgau (Riesling x Madeleine royale) sowie in Südafrika der Pinotage (Pinot noir x Cinsaut (Hermitage). Die Grundlage für die Kreuzungszüchtung des Müller-Thurgau wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Geisenheim geschaffen. Ein Jahrzehnt später wurde die Züchtungsarbeit in Wädenswil (Schweiz) und anschließend wieder in Deutschland fortgesetzt. Erst ab Mitte des vorigen Jahrhunderts fand die Sorte zunehmende Akzeptanz in der Weinbaupraxis und beim Weinkonsumenten. Ebenso dauerte es auch beim Pinotage einige Jahrzehnte, bis sich die in den 1920er Jahren von Prof. Perold in Stellenbosch vorgenommene Kreuzung im südafrikanischen Weinbau durchsetzte. Aufgrund dieser Erfahrung werden die zahlreichen in den letzten Jahrzehnten entwickelten Neuzüchtungen noch beträchtliche Zeit benötigen, bis sie über das Versuchsstadium hinaus in der Praxis Eingang finden.


Rebensortimente

Von den derzeit mehr als 10 000 von der ampelographischen Wissenschaft registrierten Rebsorten eignet sich etwa ein Viertel für den Weinanbau. Dabei handelt es sich um Sorten, die ausschließlich für die Weinerzeugung angebaut werden (Keltertrauben), um Sorten, die sowohl als Keltertrauben als auch Tafeltrauben verwendet werden und für die Rosinenherstellung angebaute Sorten. Diese Sortenvielfalt der Keltertrauben verteilt sich nicht gleichmäßig auf alle Weinbauländer, sondern weist wegen unterschiedlichster Wachstums-Voraussetzungen und -Anforderungen und historischer Entwicklung länder- und regionalbezogene Schwerpunkte auf.

Nicht wenige bekannte Qualitätsweine aus renommierten Provenienzen werden jeweils nur aus einer einzigen Rebsorte erzeugt, die Art und Charakter des Weines unverwechselbar prägt. Andererseits basieren zahlreiche Weine auf der Verwendung mehrerer Sorten, die in traditionellem Verschnitt zusammengefügt werden. In der Summe entsteht auf diese Weise weltweit eine beachtliche Ansammlung von Rebsorten. Von den für Weinanbau erfassten und zugelassenen Rebsorten besitzen die meisten lediglich lokal begrenzte Bedeutung, die freilich für die Mannigfaltigkeit des Produktes Weines unentbehrlich ist.

Kompliziert wird die internationale Sorten-Erfassung durch die zahlreichen Synonyme der Sortenbezeichnungen. So werden beispielsweise die selben Doppelbezeichnungen in einigen Ländern für jeweils andere Rebsorten verwendet oder als Sorten-Synonym die auf dem Weinetikett genannte Weinbezeichnung angegeben, die eigentlich keinen Bezug zur dafür verwendeten Rebsorte besitzt.

In eindrucksvoller Weise dokumentierte das siebenbändige Werk „Ampelographie“ die daraus entstehende Komplexität der Rebsortenkunde. Es erschien Anfang des 20. Jahrhunderts und beschreibt 5.200 Rebsorten mit insgesamt 24.000 synonymen Namen. Jahrzehnte später erarbeitete das Office International du Vin (OIV, Internationale Organisation für Rebe und Wein), der nahezu alle Weinbauländer der Welt angehören, eine globale Bestandsaufnahme. Sie enthielt deutlich weniger Sorten als die Grosedition. Die aktuelle Ausgabe 2013 basiert auf 35 nationalen Rebsortenauflistungen mit zusammen 6.154 Rebsorten-Hauptnamen. Da in den nationalen Listen viele Sorten identisch sind, ergibt sich eine Zusammenstellung von insgesamt 4.010 verschiedenen Rebsortennamen.

Ein Vergleich dieser Listen mit ähnlichen Zusammenstellungen der letzten Jahrhunderte zeigt die tiefgreifende Veränderungen des Rebsortiments über wenige Jahrhunderte. Zu Beginn der Neuzeit existierten zweifellos schon zahlreiche Sorten, die lückenlos in der Fachliteratur aber nicht erfasst wurden. In seinem 1539 erschienenen Kräuterbuch führt Tragus namentlich ein gutes Dutzend auf, von dem bis heute lediglich Muskateller, Traminer und Riesling erhalten sind. „Die vollständige Abhandlung des gesamten Weinbaus“ von Balthasar Sprenger, 1766 erschienen, führt immerhin 200 in den europäischen Weinbauländern kultivierte Sorten auf. Von ihnen existieren noch heute Burgunder (Bourguignon), Chasselas (Notre Dame, Grüner Gutedel), Corvina, Gutedel, Klevner, Malvasier, Morillon, Müllerrebe, Muscateller, Riesling, Ruländer (Gris commun), Traminer, Trollinger, Uni blanc, Veltliner, Vernaggio, Zierfandler.

Im 19. Jahrhundert nennen die Weinbuchautoren weitere Sorten, die heute noch Bestandteil unserer Weinberge sind wie Sylvaner, Elbling, Gutedel und Portugieser (in Dornfeld’s „Weinbauschule“ von 1860). Diese Sorten wurden bis zum 19. Jahrhundert im „gemischten Satz“ gepflanzt, bei dem unterschiedliche Rebsorten in einem Weinberg standen, von denen einige wegen des Mengenertrages, andere als Lieferant für Weinqualität bevorzugt wurden (z. B. Riesling, Burgunder, Traminer, Muskateller).

Veränderungen im Rebsortiment über die Jahrhunderte hatten verschiedene Ursachen. Die Wanderungsbewegung bestimmter Sorten ergab sich anfangs gleichsam auf natürliche Weise beginnend bei der Entwicklung der Kulturrebe aus der Wildrebe. Weinreben, die wegen ihrer Ertragssicherheit und Standorttoleranz für den Anbau außerhalb ihrer ursprünglichen Standorte interessant waren, wurden in andere Regionen ausgeführt und dort heimisch. In erneuerten Sortimenten werden immer häufiger Rebsorten aufgenommen, mit deren Weine den sich wandelnden Entwicklungen auf dem Verbrauchermarkt und damit einem gewissen „Zeitgeschmack“ entsprochen wird.

Seit dem 20. Jahrhundert führte dies zu einer durchgreifenden „Internationalisierung“ des Rebsortimentes, das in vielen Weinbauländern der Neuen Welt für die Qualitätsweinerzeugung eine nahezu identische Profilierung zeigt. Im europäischen Weinbau hingegen gewinnen neben den internationalen Rebsorten wieder autochtone Sorten mit lokalem oder regionalem Ursprung an Bedeutung.

Beträchtlichen Einfluss insbesondere auf das Sortiment im deutschen Weinbau besitzen neue Rebenzüchtungen wie Vergleiche des Rebsortimentes von 2011 mit dem von 1935 zeigen. Im damaligen Standardwerk „Das deutsche Weinbuch“ (Pfälzische Verlagsanstalt) führt sein Autor Heinrich Klingner im Jahr 1935 als „die für den Weinbau in Frage kommenden Rebarten“ 15 Weißweinsorten und 8 Rotweinsorten an. (Für „Qualitätsweine“: Riesling, Orleans, Weißer Burgunder, Gewürztraminer, Muskateller; für „Mittelweine“ Silvaner, Gutedel, Grauer Burgunder, Grüner Veltliner; für „Konsumweine“ Elbling, Müller-Thurgau, Weißer Mosler, Fitzrebe, Weiße Bukett-Traube. Für Rotwein: für „Qualitätsweine“: Blauer Burgunder; für „Mittelweine“: St. Laurent, Müllerrebe, Lemberger, Urbansrebe, Affenthaler; für „Konsumweine“: Portugieser, Trollinger.)

2011 hingegen waren für die Erzeugung von Qualitätsweinen in Deutschland 122 Rebsorten amtlich zugelassen – ein im Vergleich zu Italien, Spanien oder Portugal äußerst geringe Zahl. Für den Weinbau besitzt nur ein sehr kleiner Teil Bedeutung. Als seit langem etablierte Neuzüchtung ist der Müller-Thurgau weiterhin die am zweithäufigsten angebaute Weißwein-Sorte, deren Anteil an der deutschen Rebfläche innerhalb der letzten 30 Jahre allerdings von 26% auf 13% abgenommen hat. Auch die Anteile der anderen seit Jahren renommierten weißen Neuzüchtungen ist in den letzten drei Jahrzehnte rückläufig: Kerner (von 5,7% auf 3,3%), Bacchus (von 3,1% auf 1,9%) und Scheurebe (von 4,1% auf 1,5%). Deutliche Zunahmen hingegen weisen die Rotwein-Neuzüchtungen Dornfelder (von 0,6% auf 7,8%) und Regent (von 0,4% auf 2%) auf.












Einen kräftigen Aufwärtstrend verbuchen in der Bepflanzung deutscher Weinberge dagegen mit international populären (ursprünglich französischen) Sorten. Die Anbaufläche mit Chardonnay hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt (2001: 719 ha; 2012: 1500 ha); Sauvignon blanc kam im selben Zeitraum von 0 auf 734 ha; ähnlich die Entwicklung beim Merlot von 0 auf 556 ha und der Cabernet Sauvignon machte einen statistischen Sprung von 0 auf 338 ha.

Klimawandel und Erhaltungszüchtung ermöglichten diesen „Blockbustern“ auch international eine rasante Verbreitung. Sie gehören zwar nicht zu den am meisten angebauten Rebsorten – diese Spitzenplätze nehmen in der Statistik spanische und französische Sorten für Konsum- und Verarbeitungsweine ein – aber sie belegen die ersten Ränge unter den Rebsorten für Qualitätsweine („Edelsorten“).

Der Zehnjahrsvergleich macht unübersehbar den Trend zur Qualitätsweinerzeugung sichtbar. Seit den 1990er Jahren verdoppelte sich die Rebfläche von Cabernet Sauvignon und Chardonnay, beim Merlot lag das Plus bei rund zwei Drittel. Damit wird Merlot vor Cabernet Sauvignon für die Rotwein-Erzeugung die am häufigsten angebaute Edelsorte.

Die stärksten Rückgänge im Anbau entfallen auf die Sorten für einfache Tischweine. Die von der EU geförderten Rodung von Weinbergsflächen vorwiegend in Spanien und Frankreich betraf überwiegend den Anbau von Sorten für die Großproduktion wie Airén und Garnacha (Grenache), deren Rebflächen sich um ein Viertel reduzierten, und Monastrell (Mourvèdre), die um etwa 20% abnahm.

Kommt darauf an, was man daraus macht: Endlose Rebfelder in Südamerika; Traubenlese in Tunesien












Weniger auffallende Veränderungen gab es im letzten Jahrzehnt bei Rebsorten, deren Anbau sich vornehmlich auf einige wenige Länder und Regionen konzentrieren, wie beim Rotwein Tempranillo (Spanien, Portugal), Cinsaut (Frankreich) und Sangiovese (Italien). Das zunehmende Interesse an Weißweinen führ bei den entsprechenden Sorten zu verbreiteten Anplanzungen. Dies betrifft neben dem Chardonnay in stärkerem Umfang Sauvignon blanc und weiße Burgundersorten. Da Riesling und Pinot noir (Blauburgunder) immer noch besonders hohe Ansprüche an das Terroir stellen, sind ihrer Expansion im Rebanbau natürliche Grenzen gesetzt. Das sichert ihnen im übrigen auch weiterhin den Verbleib in der „Königsklasse“.