Verkostung und Bewertung

Die Weinprobe ermöglicht, Wein mit seinen zahlreichen Nuancen und Facetten zu erkennen. Sie hilft Kaufentscheidungen zu treffen, erleichtert die Auswahl der Weine zu bestimmten Speisen und Anlässen und ermöglicht die Selektion von besonders lagerfähigen Weinen. Um zu verlässlichen Ergebnissen zu gelangen, basieren Weinverkostungen auf fachlich definierten Grundlagen.

Große festliche Weinverkostung. Die Weine werden einzeln von einem „Probensprecher“ vorgestellt und kommentiert. Rechts: Fachliche Vergleichsprobe bei Penfolds (South Australia)

Denn die Verkostung besitzt in der weinwirtschaftlichen Praxis und in der Wissenschaft auch eine fachliche, önologische Funktion, indem sie die chemisch-physikalische Analyse des Weines ergänzt, mit der die Bestandteile und Zusammensetzung der Inhaltsstoffe ermittelt werden. Da zuweilen Weine mit nahezu gleichen analytischen Werten verschieden riechen und schmecken und die Unterschiede in den üblichen Analysendaten allein nicht sichtbar werden, ist zur Gesamtbeurteilung die Verkostung notwendig.

Sie beschäftigt sich im Wesentlichen mit den Merkmalen des Weines, die mit den Sinnesorganen erfasst werden: Farbe, Klarheit, Geruch und Geschmack. In der Fachsprache wird diese Sinnenprüfung als sensorische (lat. sensus = Sinn) oder organoleptische Prüfung bezeichnet. In einigen deutschsprachigen Ländern ist dafür die Kurzbezeichnung Weinkost oder - vereinfacht - Probe gebräuchlich. International verbreitet ist der Begriff Degustation (abgeleitet von lat. gustus = das Kosten; italienisch degustazione, spanisch degustación, aber auch „cata“). In Frankreich waren dégustation und dégustateur schon im 18. Jahrhundert gebräuchlich.

Im englischen Sprachgebrauch wird dafür die Bezeichnung „Tasting“ benutzt. Termini wie „Wein-Kritik“ oder „Wein-Test“ werden vorwiegend in der Publizistik für bewertende und meist subjektive Weinbeurteilungen verwendet.


Probenarten

Für Weinkonsumenten erfüllt die Verkostung meist einen anderen Zweck als für den Weinfachmann. Laien empfinden Wein-Degustationen vielfach als unterhaltsames Erlebnis, bei dem Besonderheiten und Auffälligkeiten der Weine bemerkt, diskutiert und kommentiert werden. Im Vordergrund stehen dabei individuelle Qualitätsurteile der Verkoster.

Im Gegensatz zu diesen „hedonistischen“ Weinproben mit Ermittlung persönlicher Favoriten bezwecken fachliche Weinproben die Prüfung und Bewertung des Weines mittels exakter Verkostungs-Methoden und qualifizierter Voraussetzungen. Dazu gehören unter anderem bestimmte Rahmenbedingungen, spezielle Verkostungsgläser und genormte Prüfverfahren. Die Verkostung eines Weines ist „der Versuch dieses Produkt kennenzulernen, indem man seine verschiedenen Mängel und seine verschiedenen Vorzüge untersucht und beschreibt. Degustieren ist Studieren, Analysieren, Beschreiben, Charakterisieren, Beurteilen und Klassifizieren.“
(J. Ribéreau-Gayon und E. Peynaud).


Sinnenprüfung

Die sensorische Weinprüfung und -bewertung basiert auf Wahrnehmungen von Aussehen, Geruch und Geschmack des Weines. Dominierende Kriterien sind der Geruch, der in der olfaktorischen Prüfung festgestellt, und der Geschmack, der in der gustatorischen Prüfung ermittelt wird. Obgleich die Empfindlichkeit des Geruchssinns beim Menschen wesentlich ausgeprägter ist als beim Geschmackssinn, haben in der Gesamtbewertung der Weinqualität die Wahrnehmungen über die Schmeckzellen die größte Relevanz.

Die Eindrücke von der Geschmackswahrnehmung zu beschreiben, ist zudem für die meisten Menschen dank präziser sprachlicher Möglichkeiten einfacher als die Definition von Geruchseindrücken. So konzentrierte sich lange Zeit die Veranschaulichung der Weinqualität auf die Darstellung seines Geschmacksbilds, während die des Geruchs zweitrangige Bedeutung hatte. Mittlerweile vollzog sich ein Paradigmenwechsel, indem in Weinbeschreibungen der Aromenvielfalt mehr Beachtung und Aufmerksamkeit zukommt. Und auch hinsichtlich des visuellen Eindrucks sind Prüfungen und Bewertungen präziser geworden. Parallel zu wachsenden Qualitätsansprüchen und technischen Verbesserungen in der Weinerzeugung finden nicht nur Farb-Nuancen Beachtung, sondern auch Intensität, Glanz, Klarheit und Viskosität.


Das Aussehen

Das Erscheinungsbild des Weines, einschließlich seiner physikalischen Eigenschaften, ist erstes Indiz für Art und Beschaffenheit des Produktes. Optische Wahrnehmungen stimulieren Reize, die emotional geschmackliche Erwartungen wecken. Die daraus resultierenden Empfindungen beeinflussen - mental - weitere Bewertungskriterien. Sie führen zu subjektiven Präferenzen oder Ablehnungen. So wirken farblich blasse, schmutzig rote oder trübe Weine wenig appetitlich, während klare, grünlichgelbe oder goldgelbe sowie leuchtend rubin- oder granatrote Weine für den Genuss animierend erscheinen.

Breites Farbspektrum deutscher Weiß- und Rotweine. (Foto: DWI)




Wie stark das Erscheinungsbild die Gesamtbeurteilung des Weines beeinflusst, belegen Tests, bei denen sogar Fachleute die Weinart (Weiß, Rot, Rosé) erst bestimmen konnten, nachdem sie die sortentypische Farbe sahen und somit nur auf die Geruchs- und Geschmacksprobe angewiesen waren. Die Wein-Verkostung ohne Erkennen von Farbe und Klarheit des Weines ermöglicht das völlig schwarz durchgefärbte DIN-Weinprüfglas, das Licht gänzlich absorbiert. Dazu gibt es auch ein schwarzes Ausschüttgefäß, das vor allem bei verdeckten und Blind-Proben nützlich ist.

Zu Irritationen bei der Weinbeurteilung können farbig ausgeleuchtete Räumlichkeiten führen. Unter dem Einfluss von grünem, blauem, gelbem oder rotem Licht wird in diesen von nahezu allen Testpersonen die stets gleiche Weinprobe unterschiedlich identifiziert und beschrieben.




















































Die Farbe des Weines wird in farblosen Gläsern geprüft. Gläser mit Kristallschliff sind ungeeignet, da sie optisch irritierende Reflexe vermitteln können, die natürliche im Wein enthaltene Farbreflexe oft nicht erkennen lassen.

Zu den technischen Voraussetzungen der visuellen Prüfung des Weines gehört neben der ausreichenden, in ihrer Farbgebung neutralen Lichtquelle (möglichst helles Tageslicht) auch ein farbneutraler, heller Untergrund, vor dem das Glas - leicht geneigt - gehalten wird. Ein weißes (Tisch-)Tuch oder Papier ist am besten geeignet.

Den „Glanz“ des Weines prüft man, indem die Reflektion des Lichtes auf der Weinoberfläche beurteilt wird. Die Lichtspiegelung kann von funkelnd und glänzend bis zu matt und stumpf reichen. Zur Farbbeurteilung hält man das Glas gegen die Lichtquelle. Für professionelle Weinproben sind Kerzen als einzige Lichtquelle ungeeignet, da ihr Licht einen zu hohen Anteil an Rot und Gelb ausstrahlt, so dass die neutrale Farberkennung des Weines verfälscht wird.

























Großvolumige Gläser, die zu etwa einem Fünftel ihres Inhalts gefüllt werden, ermöglichen eine gute bis intensive Farberkennung und bieten zudem eine ausdruckvolle Entfaltung der Geruchskomponenten. In Gläsern, die bis zu zwei Drittel, drei Viertel oder sogar gänzlich voll mit Wein gefüllt werden, ergibt sich keine deutlich wahrnehmbare Aromaentfaltung.


Klarheit

Die Prüfung der Klarheit (Transparenz) des Weines erfordert beim Weintester gute Sehschärfe im Nahbereich. Trotzdem werden feinste Trübungen vielfach vom Auge nicht wahrgenommen. Sie können mit dem Dispersionsmesser festgestellt werden. In der Praxis gelten Weine, deren trübes Aussehen mit bloßem Auge bemerkt wird, als fehlerhaft. Dies gilt nicht für Weine mit (Gerbstoff-) Depot oder kristallinem Niederschlag von Weinstein (Weinkristalle). Dabei handelt es sich um natürliche Ablagerungen, die sich aus dem Reifeprozess von gerbstoffhaltigen Rot- und Portweinen oder bei besonders säurereichen Weißweinen bilden

Von links: Im traditionellen Probierschälchen Tastevin sind Klarheit und Farbe gut erkennbar; auf der Oberfläche eines klaren Weines spiegeln sich Lichtreflexe; Schlieren im Glas einer Beerenauslese.




Viskosität und Kohlensäure

In der fachlichen Bewertung werden nach den optischen die physikalischen Merkmale des Weines geprüft. Sie beziehen sich den Flüssigkeitsgrad (Viskosität) und den Gehalt an Kohlensäure (Bläschenbildung). Sie werden beim Einschenken oder leichten Schwenken des Glases festgestellt. Normalerweise fließt Wein langsamer als Wasser. Fließt er ölig oder „dick“, verfügt er über höhere Anteile an Alkohol, Zucker und anderen Extraktstoffen. Extrakt- und alkoholreiche Weine bilden Schlieren, die sich deutlich beim Kreisenlassen des Weines am Glasrand zeigen. Sie werden wegen ihrer Form als „Kirchenfenster“ oder „Tränen“ bezeichnet und entstehen durch die Oberflächenspannung bestimmter Alkohole. Sie gelten als Kennzeichen hochwertiger Weine.

Bei der Prüfung von Schaum- und Perlweinen ist der Kohlensäuregehalt (= gelöstes Kohlendioxyd) ein wichtiges Qualitätskriterium, für das u. a. die Größe der CO2-Perlen sowie Intensität und Dauer der Schaumbildung bewertet werden. Wenn stille Weiß- oder Roséweine beim Öffnen und Einschenken auffallend starke CO2-Bildung zeigen, lässt dies auf eine Nachgärung in der Flasche schließen oder auf eine Abfüllung mit Kohlensäuredruck (etwa 1 Atü), die den Weinen eine gewisse Frische vermittelt und von vielen Kellereien praktiziert wird.


Der Geruch

Im Wein entstehen flüchtige Verbindungen verschiedener Duft- und Aromasubstanzen in unterschiedlichen Verhältnissen, aus denen sich mehrere tausend Aromastoffe bilden. Durch die Gas-Chromatographie wurden etwa 800 Aromastoffe analysiert, zum Teil nur in Spuren von weniger als ein Millionstel Gramm pro Liter. Der Gesamtgehalt der Aromastoffe im Wein beträgt etwa 0,8 bis 1,2 g pro Liter. Da sie zum Teil unterhalb der Geruchsschwelle liegen, sind sie sensorisch nicht alle wirksam. Gleichwohl ist die Empfindlichkeit unseres Geruchssinns ungleich ausgeprägter als des Geschmackssinns. Der „Geschmack“ vieler Substanzen wird auch über die Geruchsrezeptoren ermittelt. (Daher werden die Verbindung von Geschmacks- mit den Geruchseindrücken in der englischen Weinansprache als flavour bezeichnet – im Gegensatz zu taste, das ausschließlich den Geschmack meint. Fasst man die aus Duft- und Geschmackserkennung resultierenden Eindrücke als „Gesamtaroma“ zusammen, so zeigen sich zahlreiche Komponenten in unterschiedlicher Konzentration. Dazu zählen Säuren, Zucker, Aminosäuren und flüchtige Verbindungen, vor allem geruchsintensive Aldehyde, die die Vorstufe zur Oxydation des Weines bilden.


Klassifizierung der Geruchseindrücke

In der Riechforschung wurden bislang ungefähr 10 000 verschiedene Substanzen als Grundlage von mehreren 100 000 Duftnoten ermittelt. Zur Unterscheidung der Duftqualitäten werden sie in Geruchsgruppen oder Klassen eingeteilt. Die erste „moderne“ Klassifizierung erstellte Carl von Linné 1756 mit den Klassen aromatisch, blumig, ambrosisch, lauchartig, bocksartig, widerwärtig/ekelerregend. Andere Wissenschaftler teilten Duftqualitäten in 30 Klassen (H. Zwaardemaker, 1895) oder sogar 44 Klassen (Harper, 1968) ein. In den meisten Klassifizierungen finden sich übereinstimmend die Merkmale blumig, fruchtig und würzig, während bei den übrigen Geruchsdefinitionen zahlreiche Abweichungen auftreten. Ab den 1970er Jahren befassen sich wissenschaftliche Veröffentlichungen intensiv mit dem noch nicht völlig erschlossenen Aroma-Spektrum von Nahrungsmitteln und Getränken. Wein kommt dabei große Bedeutung zu. Die folgende Synopse zeigt übereinstimmende und abweichende Interpretationen:

M. Léglise (1976) E. Peynaud (1983) A. Noble (1984) Aromarad für deutsche Weißweine Aromarad für deutsche Rotweine
blumigblumigblumigblumig
- süße Blumen
- strenge Blumen
blumig
frisches Obstfruchtigfruchtigfruchtig
- grüne Frucht
- Zitrusfrucht
- heimische Frucht
- tropische Frucht
- künstliche Frucht
- gekochte Frucht
- Dörrobst
fruchtig
- Beerenfrüchte
- Steinfrucht
- Zitrusfrucht
- künstl. Frucht
- gekochte Frucht
getrocknete Früchtepflanzlichvegetativpflanzlich/vegetativ
- frisch vegetativ
- gekocht vegetativ
- getrocknet veget.
pflanzlich/vegetativ
- frisch vegetativ
- gekocht vegetativ
- getrocknet vegetativ
Kräuter und LaubBalsamisch(z B.. Wachs, Harz, Wacholder)nussigwürzig
- strenge Gewürze
- süße Gewürze
- nussig
würzig
- strenge Gewürze
- süße Gewürze
- nussig
Röstgerüche
(z. B. Kaffee, Mokka, gebrannte Mandeln, geräuchert, verbranntes Holz)
ätherischKaramellisiert
(z. B. Schokolade, Honig)
karamellisiert
(z. B. Bienenwachs, Malz, Brioche)
karamelisiert
Gewürze u. AromatenwürzigMikrobiologisch (z.B. laktisch, hefig)mikrobiologischMikrobiologisch (z.B. Waldboden, Champignon, animalisch)
Animalisch
(z. B. Leder, Pelz, Fleisch, Wild, Moschus)
animalischholzigrauchig
- rauchig
- holzig
- mineralisch
rauchig
- rauchig
- holzig
Lebensmittel
(z. B. Karamell, Lakritz,
Kakao,
Honig oder Milchprodukte wie Butter, Hefe, Molke)
holzartigerdigGeschmack
- Intensität
- Geschmack (süß, sauer, bitter)
- Gaumeneindruck
- Körper
- Gesamteindruck
Geschmack
- Intensität
- Geschmack (gerbig, ausgewogen, komplex)
- Gaumeneindruck
- Körper
- Gesamteindruck
wenigchemischoxidiert



Physiologie des Riechens

Die Gerüche des Weines werden mit der üblichen Atmung durch die Nase nur unzulänglich wahrgenommen. Da die Riechzone sich im obersten Teil der Nasenhöhle befindet, gelangen die Geruchsstoffe nur durch einen verstärkten Luftstrom zu der Nasenschleimhaut. Einen stärkeren Luftstrom erreicht man bei der Geruchs-Bewertung weniger durch kräftiges Einatmen (durch die Nase, nicht den Mund), sondern durch Schnüffeln oder Schnuppern, bei dem Luftwirbel erzeugt werden. Ferner werden Geruchsstoffe (Aromen) auch beim Ausatmen festgestellt, da sie dabei von der Rachenhöhle aus in die Nase gelangen.

Für die Funktion des Riechens sind über tausend Gene (etwa drei Prozent des gesamten menschlichen Erbguts) verantwortlich. Über die Riechnerven werden die von der Schleimhaut ermittelten Reize an den Riechkolben im Großhirn übertragen. In den Nervenzellen und in der Hirnrinde bilden sich aus der Kombination von Geruchseindrücken Geruchsmuster, die – entsprechend gespeichert – immer wieder abgerufen werden können.

Bestimmte Duftmoleküle, zum Beispiel von Fruchtaromen, werden auch beim Schmecken wahrgenommen (retronasale Stimulation). Obgleich Geruchs- und Geschmackswahrnehmungen eng miteinander verbunden sind, wird für die Geruchserkennung in der Weinsprache oft nur der Begriff „Nase“ benutzt.


Technische Prüfbedingungen

Bei der professionellen Verkostung sind bestimmte Voraussetzungen zu beachten:
• Periphere Gerüche im Umfeld der Probe (z. B. von Speisen, Kräutern, Blumen, Parfüm) sind zu vermeiden, da sie die Beurteilung beeinflussen.
• Das Glas sollte keinen muffähnlichen Geruch durch langes Aufbewahren im (Holz-)Schrank oder durch unsauberes Spülen und Trocknen aufweisen.
• Die Temperatur der zu prüfenden Weine entspricht den jeweiligen Empfehlungen für die auf die Weinarten bezogene übliche Trinktemperatur. Abweichungen von nur wenigen Grad Celsius führen zu daraus resultierenden Fehlbewertungen von Duft- und Geschmack.
• Dekantieren (Umfüllen) von bestimmten Weinen aus der Flasche. Bei ihnen erfolgt die Aroma- und Geschmacksentfaltung nicht unmittelbar nach dem Eingießen. Die Inhaltstoffe von jungen, gerbstoffreichen oder langsam reifender Weine können noch „verschlossen“ wirken und sich
erst durch längeren Kontakt mit der Luft erschließen.

Sehr alte Weine hingegen büßen bereits nach kurzer Zeit im Glas deutlich an Aroma und Geschmack ein. Bei Rotweinen verändert sich das Violett- und Purpurrot des jugendlichen Entwicklungsstadiums in dunkles Ziegelrot und schließlich in Braunrot. Bei gerbstoffreichen Rotweinen bildet sich am Flaschenboden ein Depot der Tannine, so dass diese Weine beim Dekanieren zugleich durch ein Sieb gefiltert werden. (Das gilt auch für eventuelle Weinsteinkristalle).

Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich auch bei Weißweinen, deren Farbe je nach Beschaffenheit mit zunehmender Reife vom hellen Gelbgrün über Goldgelb bis zum Gelbbraun reicht. Der Reife- und Oxydationsprozess betrifft im gleichen Maße Aromaveränderungen. Das jeweilige Reifestadium des Weines ist daher bei der Bewertung zu berücksichtigen.

Wie deutlich sich Aromanoten im unterschiedlichen Alter eines Weines entwickeln, ist aus folgender Übersicht anhand roter Bordeauxweine erkennbar:


















Die optimale Geruchswahrnehmung eines Weines ergibt sich aus zwei aufeinander folgenden Geruchsproben. Zuerst nach dem Einschenken im Glas, das auf dem Tisch steht. Sodann im Glas, nachdem es mit der Hand leicht geschwenkt oder auf dem Tisch in kreisende Bewegungen versetzt wurde, so dass der Wein ausreichend Kontakt mit der Luft erhält.

Wird eine größere Anzahl von Weinen einer sensorischen Prüfung unterzogen, indem jeder einzelne Wein durch den Geruchssinn und bald darauf durch den Geschmackssinn geprüft wird, tritt schon nach kurzer Zeit eine Verminderung der Empfindungsintensität ein. Um die Sensibilität vor allem auch für geringe Duftreize zu erhalten, werden zunächst bei sämtlichen Weinen ausschließlich der Geruch und anschließend der Geschmack geprüft.


Wahrnehmen und Erkennen

Der Mensch verfügt über ungefähr 1,5 Millionen Riechzellen, die zur Unterscheidung von mehreren Tausend Gerüchen beitragen. Die Wahrnehmungsschwelle für Geruchs- und Geschmacksempfindungen ist bei den Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Dies trifft auch für die Erkennungsschwelle zu, die dem Prüfer signalisiert, um welche Geruchsstoffe es sich jeweils handelt. Während eine Verbesserung oder Steigerung der Wahrnehmungsschwelle in vielen Fällen schwierig ist, kann die Erkennungsschwelle durch entsprechende Übungen und aufmerksames Verkosten gesteigert werden.

Die sensorische Beurteilung der Geruchs- und Geschmacksstoffe des Weines ist allein durch die unterschiedliche Wirkungsweise der von ihnen ausgehenden Reize kompliziert. So können durch zwei oder mehrere Reize von gleicher Intensität neue Empfindungsreize eintreten (typisch bei Verschnitten von verschiedenen aromabetonten Weinen). Bei Reizen unterschiedlicher Intensität wird der schwächere vom stärkeren Reiz verdrängt und somit kaum wahrgenommen (Reizkompensation). Wirkt ein Reiz dauernd und gleichbleibend auf die Riechzellen ein, wird dieser nach kurzer Zeit nicht mehr empfunden. Diese Reizadaption führt unter anderem dazu, dass für den Prüfer die Bewertung von Weinen mit nur äußerst geringen Unterschieden im Geruch (z. B. ausschließlich aus derselben Rebsorte, Lage und Qualitätsstufe sowie vom selben Jahrgang und Betrieb) mit Zunahme der Beurteilungen immer diffiziler wird.

Der Wahrnehmung und dem Erkennen von Geruchs-, Aroma- und Geschmacksstoffen sind bei jeder Sinnenprüfung natürliche Grenzen gesetzt. Somit ist eine absolut objektive, unfehlbare Bewertung kaum möglich.

Um eine vorzeitige unkonzentrierte Beurteilung und Ermüdung (z. B. durch Alkohol) bei der Verkostung zu vermeiden, wird der jeweilige Probeschluck nach Erfassung der Sinneneindrücke wieder ausgespuckt. Dass sich trotzdem die Aufnahme von Alkohol nicht ganz vermeiden lässt, belegen Untersuchungsergebnisse, die nach Verkostung von 25 Weinen bei der Mehrzahl der Prüfer einen Blutalkoholgehalt von 0,25 ‰ aufwiesen, in einem Fall jedoch auch 0,8 ‰ (nach L. Jakob, 1997).

Bei geruchs- und geschmacksintensiven Weinen (ausgeprägte Süße oder Säure, hoher Gerbstoffgehalt) kann diese Sättigungsschwelle selbst für geübte Prüfer mit hoher Riech- und Geschmackserfahrung bei etwa zwei Dutzend Weinen erreicht werden. Zu berücksichtigen ist, dass mit zunehmendem Alter sowie bei körperlichen Funktionsstörungen die Sensibilisierung vor allem für die Geruchswahrnehmungen aber auch für die Schmeckempfindlichkeit nachlassen.

Eine daraus resultierende Unsicherheit kann auch nicht durch häufiges Zurückprobieren ausgeglichen werden. Auf diese Weise werden die Sättigungsschwelle und damit ungenaue Ergebnisse noch schneller erreicht.


Schulung

Die Anzahl der Geschmacksknospen ist nicht bei allen Menschen gleich. Eine wenige Menschen haben ein fast völlig gestörtes Geruchs- und Geschmacksempfinden (etwa 2 %). Anderseits gibt es (ebenfalls wenige) Menschen, die aufgrund einer besonderen Ausstattung der Gene sehr „begabte“ Schmeck-Talente sind, da sie über eine überdurchschnittliche Ausstattung von Geschmacksknospen verfügen.

Diese Qualifiktation kann durch Schulung und Übung - auch für die Weinsensorik - antrainiert werden. In Seminaren und Tests können sensorische Fertigkeiten überprüft und optimiert werden. So lässt sich zum Beispiel das Erkennen der vier Grundqualitäten mit dem Probieren entsprechender Lösungen dieser Substanzen und ihre jeweilige Wahrnehmungsschwelle testen: Zum Beispiel für „sauer“ eine Lösung mit Weinsäure (2g/l), für „süß“ mit Zucker (32 g/l), „salzig“ mit Kochsalz (6 g/l). Vergleiche von paarweise zusammengestellten Weinen anfänglich unterschiedlicher, allmählich gleicher Beschaffenheit, machen mit den Funktionen der Sinnenprüfung schrittweise vertraut.


Aromarad

Ein Hilfsmittel zur Entdeckung der vielfältigen Welt von Aroma und Geschmack sind „Aromaräder“, die es für verschiedene Getränke und Lebensmittel (z. B. Kaffee, Bier, Whisky, Cognac, Brot, Früchte) gibt. 1984 schuf die Oenologin Ann C. Noble, die an der University of California, Davis, sich mit Wein-Chemie und Weinsensorik befasste, ein Aromarad für Wein. Es enthält die Strukturierung der Weinaromen und ihre Beschreibung, ohne die chemischen Substanzen dabei aufzuführen.

Dem zunehmenden Interesse an Vielfalt und Herkunft der Weinaromen entsprach dieses informative Aromarad. In den folgenden Jahren wurde es mit neuen länder-, regional- und sortentypischen Varianten ergänzt. Inzwischen gibt es Aromaräder, die speziell auf die Weinarten Weiß und Rot ausgerichtet sind, Editionen, die die Aromen der am meisten verbreiten Rebsortenweine darstellen oder die speziell auf die Produkte von einzelnen Weinerzeuger- und Weinhandelsfirmen ausgerichtet sind. Pierre Boucheron entwickelte Aromräder für französische Weine, die – ähnlich wie zuvor schon A. Noble – auch (negative) Geruchsnoten von fehlerhaften Weinen aufführen.

















In Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Önologen entwickelte U. Fischer 1995 auf deutschen Weißwein und deutschen Rotwein eingestellte Aromräder (siehe oben), die vom Deutschen Weininstitut herausgegeben werden. Gestaltet sind sie mit farblich verschiedenen Segmenten für Geruch und Geschmack Auf der Basis von 300 von einer Expertenkommission zusammengestellten Begriffen sind darin die jeweils häufigsten Attribute aufgeführt. Sie sind typisch für die einzelnen Rebsorten, Anbaugebiete und Spezialitäten wie Barriqueweine, edelsüße oder alte Weine. Eine kurze Gebrauchsanweisung auf der Rückseite des Aromarades hilft bei der Anwendung.

Prinzipiell weisen alle Wein-Aromakreise ähnliche Gliederungen auf. Die kalifornische Erstausgabe von A. Noble fächert sich in 27 Gruppen mit insgesamt 87 spezifischen Aromaangaben auf. Dieses relativ komplexe Gebilde wurde in der Folge für eine einfachere Nutzung reduziert und um neue Gruppen erweitert.

In den Aromarädern für deutsche Weine wurde als Basis-Merkmal das Segment „Geschmack“ aufgenommen mit 5 Geschmacksnoten (Intensität, Geschmack, Gaumeneindruck, Körper, Gesamteindruck) und davon ausgehenden 14 Geschmacksnuancen (bei Rotwein 15), die sich je nach Weinart leicht differenzieren. Diese Kriterien können zu Beginn oder zum Abschluss der Gesamtbewertung berücksichtigt werden. Die eigentliche Aromawahrnehmung und ihre Definition erfolgen auf der Grundlage von 8 Segmenten mit 20 Geruchsnoten und dazu gehörigen 60 Geruchsnuancen.

Demgegenüber umfassen die von E. Mark und V. Siegl konzipierten österreichischen Aromaräder bei Weißwein eine höhere Anzahl, bei Rotwein eine geringe Anzahl von Geruchsnoten als die deutschen Aromakreise. Interessante Differenzierungen zeigen sich vor allem bei den einzelnen für eine Geruchsnote angegebenen Beispielen, so dass sich die Frage ergibt, ob trotz gewisser Verschiedenheit von Klima und Standort die Weine aus beiden Ländern derart gravierende Unterschiede in ihrer aromatischen Beschaffenheit aufweisen.

Diskussionsstoff ergibt sich auch aus den verbalen Vorgaben bei einigen Aromagruppen. So können gemäß Aromarad bei österreichischen Rotweinen „laktische“ Noten, die an Joghurt oder Buttermilch erinnern, auftreten. Ohnehin zeigen einige Länderausgaben inhaltlich bemerkenswerte Unterschiede zum Beispiel im gewichtigen Merkmal Frucht („fruchtig“), das in fast allen Aromakreisen etwa ein Vierteil der gesamten Nuancierungen einnimmt, jedoch mit unterschiedlen Vorgaben.

Bereits in der kalifornischen Urfassung blieben Aromen, die eine negative Beurteilung erfahren und aus Fehlern in der Produktbeschaffenheit, unberücksichtigt. In vielen konsumbezogenen Aromarädern werden sie nicht mehr aufgeführt, ebenso wie auch die Aromanoten, die sich bei zunehmender Alterung des Weines im Fass und in der Flasche ergeben.


Aroma-Kollektionen

Um sich in dieser Mannigfaltigkeit von Aromanuancierungen zurecht zu finden, stehen für Wahrnehmung und Erkennung umfangreiche Kollektionen von Geruchsproben zur Verfügung. Weltweit verbreitet ist die von Jean Lenoir 1981 erstellte Aroma-Sammlung unter der Bezeichnung „Les Nez du Vin“. Der in der Provence beheimatete Lenoir konzipierte eine Auswahl von 54 Aromastoffen, die im Wein besonders häufig vorkommen. Die Muster sind in kleinen Flakons gefüllt und in einer attraktiv gestalteten Buchkassette mit Schuber verpackt. Jedes einzelne Aroma wird auf einer farbigen Karteikarte detailliert vorgestellt und besprochen. Eine beigefügte Broschüre informiert über Weingeruch und Weingeschmack. Neben diesem großen Modell sind kleinere Editionen mit jeweils 12 Aromaproben für verschiedene Weinarten sowie für Fehltöne im Wein erhältlich.

Weinbeurteilungen: „Le Nez du Vin“, „Aromabar“ und „Symphonie du Vin“













Ein ähnliches Sortiment weist auch die „Aromabar“ auf, die in Edelholz verpackt, eine Zusammenstellung mit 60 Weinaromen umfasst. Sie gibt es auch in kleineren Editionen für Weißweine, Rotweine, Barrique und Fehlgerüche mit je 12 Geruchsproben. Ebenfalls im Wein oft enthaltene Aromaessenzen finden sich in einem Set unter dem Titel „Symphonie du Vin“. Dabei handelt es sich um eine Sammlung mit 32 Duft-Proben, die über ein beigefügtes Inhalierglas erschnuppert werden können. Eingehende Erläuterungen dazu finden sich in ausführlichen Schriften, die den Kassetten beigelegt sind.


Physiologie des Geschmacks

Im Gegensatz zum Geruch mit seiner Vielzahl (klassifizierter) Geruchsgruppen wird beim Geschmack nur zwischen vier Grundqualitäten unterschieden: süß, sauer, salzig, bitter. Sie werden der oraltrigeminalen Geschmackswahrnehmung zugeordnet. Sie erfolgt durch den Tastnerv im Bereich Mund, Nase und Rachen, der nur auf chemische Stimulation reagiert.

Die Geschmacksempfindungen werden in der Mundhöhle wahrgenommen durch den vorderen Teil der Zungenoberfläche (vor allem süß), die Zungenränder (salzig, im mittleren Teil sauer) und am Zungengrund (bitter). Weniger geschmacksempfindlich sind der weiche Gaumen und Teile des Gaumensegels, Rachenwand, Kehldeckel und Teile des Kehlkopfes.

Die geschmackliche Empfindungsstärke wird durch bestimmte äußere Reizeinwirkungen (Intensität und Dauer der Reizwirkung) und individuelle Faktoren (Reizempfindlichkeit abhängig von Tageszeit, Temperatur- und Witterungseinflüssen, Allgemeinbefinden, Lebensalter) geprägt. Mit zunehmendem Alter kann die Anzahl der Geschmackspapillen (im Durchschnitt 2 000) abnehmen. Ältere Menschen (über 60 Jahre) können einen dadurch entstandenen Mangel an geschmacklicher Sensibilität durch entsprechende Degustationsübungen ausgleichen. Hinsichtlich ihrer Eignung als Verkoster gibt es zwischen Frauen und Männern keine natürlichen Unterschiede.

Neben den äußeren Beeinflussungen gibt es eine Reihe von unmittelbaren Beeinflussungen des Geschmacksreizes, die zu gewissen Täuschungen führen. Beispielsweise neutralisieren sich gleichzeitige Wahrnehmungen von Süße und Säure, so dass ein säureintensiver Wein, der über einen relativ hohen Restzuckergehalt verfügt, nicht als entsprechend süßer Wein erkannt wird. Weine mit höherer Temperatur schmecken etwas süßer als mit niedriger Temperatur. Das Geschmacksmerkmal bitter wirkt in seiner Reizwirkung stärker nach als süß, sauer oder salzig. Es wird außerdem nicht unmittelbar, sondern erst im Nachgeschmack wahrgenommen.

Die Sinnesempfindungen beruhen nicht nur auf den geschmacklichen sondern auch den Wahrnehmungen des Geruchssinns. (Die Geschmacksempfindung reduziert sich erheblich bei verschlossener Nase). Für die Bewertung von Wein bedeutsam ist die Tatsache, dass die Reizschwelle des Geschmackssinns höher liegt als beim Geruchssinn. Außer den Geruchsempfindungen haben Wärme, Kälte und der (haptische) Tastsinn Einfluss auf das Geschmackserlebnis.

Die Geschmacksbewertung erfolgt durch einen nicht zu geringen Probeschluck. Der Wein sollte die gesamte Mundhöhle mit ihren Geschmackspapillen und nicht nur den Zungengrund erreichen, da dieser zum Teil geschmacksunempfindlich ist. Im Mund wird der Wein für einige Sekunden leicht bewegt. Jeder Probenschluck sollte zeitlich gleich lange im Mund verbleiben. Wenn ein Probenschluck für etwa fünf Sekunden im Mund verbleibt, wird in den ersten Sekunden die Süße empfunden, anschließend die sauer schmeckenden Inhaltsstoffe und schließlich die bitteren. Bei Verkostung von besonders gerbstoffreichen Weinen der zusammenziehende Geschmack (Adstringenz) zur Speichelverringerung und somit zum „Austrocknen“ im Mundgefühl.

Das Bewertungsurteil für den Geschmack ergibt sich aus dem ersten Eindruck am Gaumen, wenn der Wein mit ein wenig Luft durch die Lippen eingesaugt wird und der Wahrnehmung von Qualität, Harmonie und Intensität. Nach dem Ausspucken gewinnt man einen Eindruck vom Nachgeschmack, der ebenso wie der „Nachhall“ jedoch präzise nur nach dem Schlucken festgestellt werden kann. Dieser Nachhall kann wenige Sekunden, aber bei großen Weinen bis zu einer halben Minute dauern, so dass man dann von einem „langen Abgang“ (oder Schweif, Schwanz) spricht. Aber auch Weinfehler zeigen sich im Nachgeschmack deutlich.

Bestimmte Geschmacksstoffe führen dazu, dass sie mit ihrer Konzentration die Wahrnehmung anderer Stoffe weitgehend unterbinden. Deshalb sollten vor oder während einer sensorischen Prüfung keine scharf gewürzten oder süßen Speisen und Getränke verzehrt werden.

In welchem Maße Tabakrauch die Sinnenprüfung beeinträchtigt, ist individuell verschieden. Während Raucher behaupten, ihre sensorischen Fähigkeiten würden durch Tabakrauch nicht beeinflusst - wie verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen - werden Nichtraucher dadurch in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt.


Mundgefühl

Die unmittelbaren Geruchs- und Geschmackswahrnehmungen vermittelt die sensorische Analyse. Die einzelnen Bewertungen von Süße und Säure, Frucht, Frische (Kohlensäure) und Alter, Körper und Alkohol münden in den Gesamteindruck von der Ausprägung des Weines, Für ihn stehen auch Begriffe wie „Struktur“, „Architektur“, „Beschaffenheit“ oder die aus der englischen Weinansprache abgeleiteten „Textur“ (eigentlich Gewebe, Maserung). Das Gesamtbild spiegelt das „Mundgefühl“ wieder, für das in der traditionellen deutschen Weinansprache synthetisierende Begriffe wie Harmonie und Charakter benutzt werden.

Entsprechende Gütebezeichnungen wie gefällig, süffig, kernig, vollmundig, wuchtig, adelig werden zwar in der Weinwerbe-Sprache häufiger verwendet, in der Terminologie der Weinsensorik sind sie jedoch kaum von Bedeutung.


Degustationsgläser

Die Geruchs- und Geschmacksentfaltung des Weines wird durch Form und Volumen des Glases beeinflusst. Am besten geeignet sind dafür speziell entwickelte (genormte Wein-Degustationsgläser. International hat sich das um 1960 in Frankreich entwickelte Weinprobierglas durchgesetzt, das vom I.N.A.O. (Institut National des Appellation d’Origine) offiziell für Fachproben empfohlen wird. Das farblose Glas mit einem Bleigehalt von 9 % hat einen tulpenförmigen nach oben sich verjüngenden Kelch mit einem Volumen von 210 bis 225 ml. Die darin eingeschenkte Menge sollte etwa 50-70 ml betragen.

In Deutschland wurde 1981 für die amtliche Weinprüfung ein spezielles Kelch-Glas mit 55 mm hohen Stiel, 100 mm hohen Kelch und einem Volumen von 300 ml entwickelt (DIN-Norm Nr. 10960). Durch die Stielhöhe wird vermieden, dass der Kelch mit der Hand berührt wird. Dadurch wird der Kelch nicht erwärmt und die Klarheit des Glases nicht beeinträchtigt. Die in Zusammenarbeit mit der DLG Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft und dem DWI Deutsches Weininstitut entworfenen Gläser ermöglichen das sichere Schwenken und Ausgießen der Weinprobe. Sie sind bruchsicher und spülmaschinenfest, so dass sie auch in umfangreichen Degustations-Veranstaltungen eingesetzt werden.

Riedel-Glas entwickelte für anspruchsvolle Weinbeurteilung das Verkostungsglas „Vinum“ (Copyright Foto: Riedel)












Ein innovatives Degustationsglas kreierte Riedel-Glas mit seinem „Tasting-Glas“ (s. Abbildung). Der hohle Glasstiel nimmt eine Weinprobe von 20 ml auf. Wenn das Glas leicht geneigt wird, fließt der Wein in den Kelch, so dass man seine Farbe beurteilen kann. Legt man das Glas auf den Tisch und rollt es leicht über die Tischplatte, entfaltet sich der Geruch des Weines optimal, da die gesamte Innenfläche der Cuppa mit Wein bedeckt wird. Im oberen Bereich verengt sich der Kelch. Dadurch gelangt der Wein beim ersten Probeschluck zunächst nur auf den vorderen Teil der Zunge.

Für eine visuell unbeeinflusste Weinbewertung gibt es das DIN-Prüfglas „Sensus Black“ sowie ein ebenfalls in schwarz durchgefärbtes Ausschüttgefäß, dessen trichterförmiger Ausgießer die Weinfarbe nicht sichtbar macht. Sowohl für Weinverkostung und Weingenuss empfiehlt sich das von Schott entwickelte Glas „Sensa“, das auch von der Deutschen Wein- und Sommelierschule als offizielles Tastingglas verwendet wird. Das Glas verfügt im Inneren über eine Aromawelle, durch die sich der Geschmack des Weines schneller entfaltet und die Säure gemildert wird. Fotos: Schott









Gläser, die nicht speziell für Degustationen konzipiert sind, füllt man je nach Größe zu einem Viertel bis zu einem Drittel des Volumens, so dass sich durch leichtes Kreisen und Schwenken des Glases Duft- und Aromastoffe durch den Kontakt mit Luftsauerstoff entfalten. Nach dem Ausgießen der Weinprobe kann auch das nochmalige Riechen im Glas Aufschluss über die Intensität des Aromas geben.

Für die Bewertung mehrerer Weine wird entweder das Glas häufiger gewechselt oder aber mit Wasser ausgespült. Denn nach dem Ausgießen einer Probe können im Glas zurückbleibende Reste Geruch und Geschmack des folgenden Weines beeinflussen. Im Glas sollten keine Reste von Spülmitteln vorhanden sein. Sie beeinflussen die Prüfung von Schaumwein, indem sie die Schaumbildung der Kohlensäure beeinträchtigen.

Ist die Probe im Glas längere Zeit dem Einfluss von Luft und Wärme ausgesetzt, verändern sich Geruch und Geschmack des Weines. Insbesondere führen höhere Raumtemperaturen bei Weinen, die relativ kühl eingeschenkt werden und sich dann im Glas erwärmen, zu Veränderungen. Die Temperatur eines mit etwa 7° C. ins Glas eingeschenkten Weißweines steigt bei der üblichen Raumtemperatur innerhalb von etwa 15 Minuten auf 12° C. an und ist daher für die Bewertung nicht mehr geeignet.


Keller-Weinproben

Weinfachliche Proben werden nicht nur mit Flaschenweinen, sondern mit Weinen aus dem Fass durchgeführt. Diese Kellerproben oder sogenannte technische Proben befassen sich mit dem Wein während seiner Ausbau-, Entwicklungs- und Reifestadien im Rahmen regelmäßiger Kontrollen im Weinbaubetrieb. Sie geben Aufschluss über notwendige Behandlungs- und Ausbaumaßnahmen. Meist dienen diese Kellerproben zunächst der Ermittlung der Klarheit der im Fass oder Tank ausgebauten Jungweine.

Technische Weinproben vermitteln einen anderen Eindruck vom Zustand und der Güte eines Weines als die Verkostung von fertig ausgebauten und auf die Flasche gefüllten Weinen. Dabei spielt sowohl der jeweilige Reifezustand (hefiger Geschmack, höherer Anteil an Kohlensäure) eine Rolle als auch die besondere Kelleratmosphäre mit hoher Luftfeuchtigkeit und niedrigen Temperaturen. Objektive Probenergebnisse können daher in diesem Umfeld nur in begrenztem Umfang erzielt werden. Konsumenten werden bei Kellerproben außerdem durch die besondere Atmosphäre der Gewölbe und Fassreihen beeinflusst, so dass die Ergebnisse emotional bedingt vielfach recht positiv ausfallen. Zudem ist es schwierig, von Fassweinproben völlig zuverlässige Schlüsse auf die Qualität des später auf die Flasche gefüllten Weines zu ziehen.


Professionelles Verkosten

Für die Prüfung von Lebensmitteln wurden verschiedene Bestimmungen in der Deutschen Industrie Norm DIN erarbeitet, von denen einige Getränke und speziell Wein betreffen. Sie erfolgen mittels Sensorik, die in den allgemeinen Grundlagen der Prüfung definiert wird „als Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Prüfungen, bei denen mit den Sinnen wahrnehmbare Produkteigenschaften erfasst werden. Aus den Urteilen der Prüfpersonen wird eine objektivierte Aussage über das Lebensmittel gebildet.“

Die jeweiligen Anforderungen an die Prüfung betreffen vor allem:
• Zustand des Prüfraumes (u. a. Farbe; Beleuchtung, Temperatur, getrennte Plätze für die Prüfer um mögliche Beeinflussung in der Beurteilung zu vermeiden)
• Zeitpunkt der Prüfung (möglichst vormittags oder mindestens eine Stunde nach dem Essen)
• Verlauf der Prüfung (störungsfreies Ausschenken der Proben, konzentriertes Verkosten, ohne beeinflussende Bemerkungen oder Diskussionen)
• fachliche Eignung der Prüfer (oenlogische und sensorische Erfahrung durch Ausbildung und Beruf, sicheres Urteilsvermögen ohne Voreingenommenheit).

Negativ beeinflusst werden Prüfungen durch individuelle Dispositionen der Verkoster (Erkältung und andere Erkrankungen, Übermüdung), duftende Kosmetika, Tabakgeruch (auch in Kleidern) sowie psychologische Faktoren, die zu Fehlbeurteilungen führen können (oberflächliche und unkonzentrierte, zu routinierte Bewertung).

Vor Probebeginn stimmt man mit einem oder mehreren (noch nicht zu bewertenden) „Pilot-Weinen“ die Geruch- und Geschmacksinne auf die Verkostung ein und legt bei einer Punktbewertung den Benotungsrahmen fest.


Reihenfolge

Werden unterschiedliche Weinarten und Weine verschiedener Jahrgänge verkostet, kann für die Beurteilung ihre Platzierung in der Probenfolge entscheidend sein. Die Weine werden in einer Reihenfolge vorgestellt, die den Verkostern möglichst nicht zu großen Diskrepanzen zwischen den Eigenarten der einzelnen Weine zumutet.

Die Grundregel, von der es manche Abweichungsmöglichkeit gibt, basiert auf folgender Reihenfolge: Weißweine - Roséweine - Rotweine. Sie ist abzustimmen auf die Intensität der geschmacklich dominierenden Inhaltstoffe, insbesondere der Süße (Restzuckergehalt): durchgegoren - trocken - halbtrocken - mild-fruchtig (lieblich) - süß.

Eine ähnliche Steigerung kann auch unter Berücksichtigung von Säure, Gerbstoff (Tannin) und Alkohol erfolgen. Während der Alkoholgehalt als Pflichtangabe auf dem Etikett ersichtlich ist, bedarf es zur Ermittlung der übrigen Inhaltsstoffe eine Vorverkostung oder Daten aus der chemischen Analyse.

Der Aufbau einer verkostungsgerechten Probenfolge ist nicht immer einfach. Vielfach ergeben sich zum Beispiel bei der Einordnung von jungen und alten Weinen Probleme. So können zum Beispiel ältere Weine, deren Säure sich merklich abgebaut hat, in der Probenfolge nach säurefrischen Jungweinen eine für ihre Beurteilung wenig günstige Position einnehmen.

Zur Rotweinprobe „verdeckt“ angestellte Weine, bei denen auch die Flaschenkapseln entfernt wurden, um keinen Hinweis auf den jeweiligen Erzeuger zu geben.





















In diesen Fällen ist es ratsam zwei bis fünf Weine (z. B. gleicher Sorte, Herkunft oder gleichem Jahrgang) in einzelnen Gruppen (Flights) zusammenzustellen, Zwischen den Blöcken werden Pausen eingelegt, um ansonsten schwierige Übergänge zu vermeiden. Falls Zweifel bestehen, ob einzelne Weine in ihrer Platzierung durch unmittelbar zuvor oder direkt anschließend zu verkostende Weine in ihrer Aussagefähigkeit beeinträchtigt werden, platziert man sie nochmals in einen anderen Block. So empfiehlt es sich, den ersten zu probierenden Wein später nochmals nach zu verkosten, da er zum ersten Mal fast immer eine geringere Qualitätsbenotung erhält als die folgenden Weine.

Aufschlussreich sind inhaltlich und thematisch strukturierte Proben, in denen zum Beispiel ausschließlich Weine eines einzigen Jahrganges oder einer Rebsorte (= horizontale Probe) verkostet werden. In vertikal zusammengestellten Probenfolgen werden Weine verschiedener Jahrgänge von einem einzelnen Erzeuger, einer einzelnen Lage oder Rebsorte probiert.


Bewertungen

Die Mehrzahl sensorischer Prüfungen dient Vergleichszwecken, in denen bestimmte Vorzüge und Qualitätsmerkmale einzelner Weine untereinander verglichen werden. Ausschlaggebend sind vielfach Beliebtheitsurteile vorwiegend unprofessioneller Verkoster. In der Gastronomie werden Proben für die Erarbeitung spezieller Wein- und Genuss-Empfehlungen durchgeführt, zum Beispiel als Begleiter bestimmter Speisen.

Das Bewertungsurteil einer Probe kann auf unterschiedliche Weise ausgedrückt werden, entweder in Form von Punkten und/oder Beschreibungen der jeweils ermittelten Eindrücke. Da es sich dabei um reproduzierbare Werte handeln sollte, können nicht beliebig gewählte Wörter zur Beschreibung der Merkmale des Weines verwendet werden. Hierzu bedient man sich der „Weinansprache“, deren Vokabular ständigen Veränderungen unterliegt (zum Beispiel Einflüsse aus der angelsächsischen oder französischen Weinbeurteilungspraxis).

Seit etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts übernimmt die Weinbeurteilung, die durch Punktebewertungen erfolgt, im Rahmen fachlicher Weindegustation eine primäre Funktion. Zahlreiche Wissenschaftler, sowohl der Önologie als auch der chemosensorischen Forschung, bemühen sich seitdem um Lösungsvorschläge für diesen komplexen Bereich. Angestrebt werden dabei unter anderem eine optimale Praktikabilität bzw. Handhabung der Prüfsysteme insbesondere für den Fachverkoster sowie die Gewährleistung für größtmögliche Objektivität und für unkomplizierte statistische Erfassung und Vergleichbarkeit der Prüfergebnisse in Punkten bzw. Noten. Einige der aus diesen Ausarbeitungen resultierenden Bewertungsmethoden sind in der folgenden Übersicht zusammengefasst.

Methode/
Punktzahl
Aussehen (Farbe, Erscheinungsbild, Klarheit, Tiefe) Geruch/
Nase (Aroma, Bukett, Frische)
Geschmack/
Gaumen (Frucht, Körper, Fülle, Säure, Finesse, Frische, Tannin/Adstringenz Abgang)
Sonstige: Gesamteindruck (Typizität, Komplexität, Balance, Harmonie Max. Gesamt-Punkte
A.P.-Prüfung/ DLG¹0-50-50-5 Summe der einzelnen Kriterien geteilt : 3
OIV Internation.
Weinamt²
0-2
+ Klarheit 0-2
0-40-12 20
Sernagiotto (1971)5551530
Klenk (1972)61024 40
Vescia (1976)101520550
A.E.I³16242436100
P. André (A.O.C.) 305020100

¹ Punktbewertung der amtlichen Qualitätsweinprüfung und für Weinprämierungen (z. B. der DLG) Wenn auf detaillierte verbale Vorgaben für einzelne Kriterien im Punktschema verzichtet wird, ist dieses vom Prüfer einfacher und damit zeitsparender anzuwenden. Dazu trägt auch die Begrenzung auf eine geringe max. Punktzahl bei.
² Dieses System basiert auf einem von W. Buxbaum 1951 entwickelten Bewertungsschema Mit leichten Abwandlungen ist es seitdem international gebräuchlich.
³Associazione Enotecnici Italiani (Verband der Önologen Italiens)

Ab Ende der 70er Jahre, als Weintests immer häufiger auch durch Journalisten und Magazine durchgeführt wurden, trat anstelle der analysierenden Punkte-Systeme die pauschalierende Weinbewertung mit der Vergabe von maximal 100 Punkten, die an das Prinzip amerikanischer Schulnotensysteme angelehnt ist. Zu seiner Verbreitung trugen unter anderem namhafte Weinkritiker und Weinzeitschriften bei, die ihre Weinbeurteilung mit dem 100 Punkte-System vornehmen. Im Gegensatz zur Bewertung einzelner sensorischen Kriterien wird beim 100-Punkte-Schema lediglich nur das Gesamturteil festgelegt, das in Abstufungen von jeweils 5 Punkten bei einer Punktzahl oberhalb von 50 beginnt. Die von den Autoren und Medien genutzten 100-Punkte-Bewertungen unterscheiden sich prinzipiell kaum, und auch in der verbalen Definition der jeweiligen Punkte-Klasse werden zur Differenzierung von anderen Urhebern für die Beschreibung der Kategorien Synonyme verwendet: z. B. 95-100 Punkte: überragend, perfekt, äußerst selten, Weltklasse, großartig etc.; 90-94 Punkte: hervorragend, exzellent, beachtlich; 85-89: sehr gut; 80-84: gut; 75-79 Punkte: passabel, durchschnittlich u.s.w.

Neben diesem semi-professionellen Schema findet man in Weinratgebern zudem Bewertungen mit Stern-Symbolen. Zur Beurteilung stehen vier oder fünf Klassen zur Verfügung, gestaffelt in: * = einfach, mittelmäßig, annehmbar; ** = ziemlich gut, überdurchschnittlich, *** = gut; **** = sehr gut ***** = erstklassig, hervorragend, anspruchsvoll. Diese einfache Kennzeichnung, die allerdings keinen Spielraum für Differenzierungen in einer Kategorie ermöglicht, wird zuweilen mit weiteren Zeichen über Trinkreife oder das Preis-Qualitäts-Verhältnis ergänzt.


Verdeckte Proben und Blind-Proben

Vorbedingung für ein Höchstmaß an Objektivität bei der Weinbewertung ist die neutrale Präsentation der Weinprobe. Dabei wird die Flasche verhüllt, so dass das Weinetikett und auch die Kapsel nicht erkennbar sind. Der Prüfer wird analog zum Probenthema über die jeweilige Rebsorte, den Jahrgang und Herkunft des Weines informiert, nicht aber für den Erzeuger oder Händler. Derartige „verdeckte“ Proben sind vor allem bei der amtlichen Qualitätsweinprüfung, bei der Vergabe von Prämierungen und Auszeichnungen üblich.

Blindproben besitzen oft den Charakter eines Ratespiels. In den meisten Fällen erhält der Verkoster keine Vorab-Informationen über den Wein. Eine gerne praktizierte Variante besteht im (zuweilen heimlichen) Eingliedern eines Außenseiter-Weines („Piraten“) in die ansonsten homogene Probenfolge, z. B. in Form eines extrem billigen Weines im Umfeld von ansonsten teuren Gewächsen, der entdeckt werden soll.

Dafür werden nicht nur sensorischen Fähigkeiten gefragt, sondern auch Erfahrung vor allem Erinnerungs- und Vergleichvermögen, indem im Gedächtnis „gespeicherte“ Eindrücke von früheren Weinproben bei Bedarf „abgerufen“ und zur Identifikation des zu bewertenden Weines genutzt werden.

Verdeckte Proben werden vor allem bei Rangordnungsprüfungen (Rankings) und Unterschiedsprüfungen angewandt. Vergleichende Weinprüfungen haben zur Ermittlung des Leistungsniveaus der Wettbewerber für den Weinprofi Bedeutung. Blindproben bieten darüber hinaus für den Weinfreund einen hohen Unterhaltungs- und Überraschungseffekt, zumal in gemischten Verkostergruppen nicht selten Weinlaien eine höhere Trefferquote erzielen als Fachleute. Die Erfahrung zeigt jedoch auch, dass das Ergebnis von Weintestes in nicht geringem Maße von Zufälligkeiten abhängt. Kenner plädieren daher dafür den Kreis der weinprüfenden Personen nicht zu stark auszuweiten („Massenbewertung“). In einem kleinen Prüfer-Team (3-5 Personen) ist die Gefahr der Ablenkung und Beeinflussung geringer als im großen Tester-Kollektiv.


Kulinarische Weinproben

In den meisten Weinkonsumländern wird Wein bevorzugt zum Essen getrunken. Die Eignung von Weinen zur Begleitung bestimmter Speisen wird in vielen Weinverkostungen kaum untersucht und beurteilt. Damit wird man jedoch der praktischen Verwendung dieser Weine bei den Mahlzeiten nicht gerecht. Insofern haben kulinarische Weinproben ihre Berechtigung, zumal sie in bestimmten Gewerbebereichen, zum Beispiel in der Gastronomie oder für den Weineinkauf eine wichtige Entscheidungsgrundlage sein können.

In Vorbereitung und Durchführung sind kulinarische Weinproben aufwendiger als „Standard“-Weinproben. Sie setzen bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten voraus, um mit der Zuordnung von Weinen zu ausgewählten Gerichten geschmackliche Harmonie, aber auch Kontrast und Spannung zu ermöglichen.

Zu jeder Speise sollten nicht mehr als drei Weine auf ihre Eignung als Essensbegleiter verglichen und bewertet werden. Sie werden in gleichen Gläsern und mit identischer Temperatur serviert. Anzahl und Volumen der begleitenden Weine und der Gerichte dürfen die Verkoster und ihr Beurteilungsvermögen nicht überfordern. Wenn man auch interessante gastronomische Experimente nicht ganz ausschließen sollte, so empfiehlt es sich die übliche Reihenfolge eines mehrgängigen Menüs einzuhalten.

Bei Vergleichen von Weinen, die von denselben Verkostern in einer Probe ohne Speisen sowie in einer weiteren Degustation in Begleitung eines Essens probiert werden, ergeben sich oft bemerkenswerte Differenzierungen in den Bewertungen identischer Weine.


Präsentations-Weinproben

Kulinarische Weinproben sind ein attraktives Beispiel für zahlreiche beliebte Weinproben-Events, die von Erzeugern und Weinhandlungen, Weinmarketingorganisationen und Weinbruderschaften in zum Teil aufwendiger, phantasie- und abwechslungsreicher Form durchgeführt werden. Da sie sich von den zuvor vorgestellten analytischen Weinproben mit seriösen Degustieren und Bewerten unterscheiden, können ihre Ergebnisse kaum als fachliche Beurteilung angesehen werden.

Dazu gehören auch Literarische Weinproben oder Musikalische Weinproben, die einen stärkeren Akzent auf das musische oder allgemein künstlerische Erlebnis als die sensorische Entedeckung aber gleichwohl das Kulturgut Wein in einem adäquaten Umfeld präsentieren.


Organisation und Zubehör

Der Ablauf der Weinprobe, die mehr als nur ein geselliges Quiz ist, sollte gut vorbereitet sein. Die Planung beginnt mit dem Konzept (z. B. horizontale oder vertikale, kommerzielle Vergleichsprobe) und anschließendem Einkauf/Bereitstellen der vorgesehenen Weine.

Pro Sorte sollten mindestens zwei Flaschen zur Verfügung stehen, um bei Korkgeschmack oder eventuellen Weinfehlern über eine Konterprobe zu verfügen. Pro 0,7-L-Flasche rechnet man etwa 12 – 15 Proben. Die Temperatur aller gleichzeitig zur Verkostung ausgewählten Weine sollte identisch sein.













Mit steigender Zahl der zur Verkostung angestellten Weine wächst auch für viele Verkoster das Problem, korrekte Bewertungen zu erstellen. Bei mehr als 10 zu verkostenden Rotweinen und 15 Weißweinen sollten Laien die Probe beenden oder zumindest eine längere Pause einlegen. Geübte Weinverkoster bewältigen umfangreichere Proben. Einschränkungen gelten für Schaumweine, bei denen die Kohlensäure die Verkostung von mehr als zehn Proben erschwert, sowie mit Alkohol verstärkte Weine wie Port oder Sherry.

Die Vielfalt nützlicher Weinutensilien reicht von Gläser- und Flaschenhaltern, Flaschenträgern über Beschriftungssysteme für Flaschen und Weinregale bis zu Tropfenfängern und Flaschenthermometern. Zu den fast unentbehrlichen Accessoires gehört der „Wine Convector“, der das Konservieren des Weines in der angebrochenen Flasche auf einfache und sichere Weise mit geruch- und geschmacklosem Stickstoff-Gas ermöglicht, womit das Oxidieren des Weines verhindert wird. Ein ebenso praktisches Zubehör ist der von dem dänischen Designer Marcus Vagnby entworfene Wine Finer „Nuance“, der vier verschiedne Funktionen besitzt: Weinausgießer, Filter, Belüfter und Verschluss. Auch der Vakuum-Verschluss „Vintage“ übt auf den Wein in der angebrochenen Flasche eine konservierende Wirkung aus, indem er durch einige Pumpbewegungen den Sauerstoff aus der Flasche entzieht. (Bilder: HCH, Menu A/S)










Historischer Rückblick

Die vier Geschmacksqualitäten (Primärempfindungen) süß, sauer, bitter, salzig wurden bereits von Aristoteles (384-322 v. Chr.) beschrieben. Der griechische Philosoph ergänzte sie um die weiteren Qualitäten adstringierend (zusammenziehend), scharf, herb.

In der römischen Antike gab es bereits eine Formel zur korrekten Verkostung von Wein: C (= Color/Farbe) – O (= Odor/Geruch) – S (= Sapor/Geschmack). Populär machte sie der römische Dichter Horaz (65 -8 v. Chr.) Nachweislich wurde jedoch schon einige Jahrhunderte früher Wein durch eigens dafür tätige Verkoster geprüft, die über die Qualität des Handelsproduktes Wein zu befinden hatten. In Griechenland hießen sie oinogeustes (wörtlich übersetzt „Verkoster von Wein“).

Aufgaben und Durchführung von Weinverkostungen stellten römische Agrarschriftsteller ausführlich dar. Ihre Empfehlungen enthalten Ratschläge, die bis heute gültig sind (z. B. keine Verkostung nach opulenten Mahlzeiten, vor allem nach der Einnahme von stark gewürzten und süßen Speisen, aber auch nicht auf hungrigem Magen sowie bei besonderen klimatischen Bedingungen).

Im Mittelalter wurde die Bewertungskriterien Farbe, Geruch und Geschmack um die Beurteilung der Klarheit erweitert. Dies ergab sich aus der Aufgabe der »Weinschmecker« oder »Weinkoster«, die Weinfälschungen durch das Aussehen der Weine, Geruchs- und Geschmacksproben ausfindig machten.

Das Vokabular zur Beschreibungen von Eindrücken bei Weinverkostungen wurde im 18. und 19. Jahrhundert erweitert. Die Terminologie entstammt Kommentaren und Aufzeichnungen von Weinhändlern und -Maklern sowie von Inhabern und Leitern großer Weingüter. Sie wurden systematisch ergänzt durch Bezeichnungen, die Fachautoren (Önologen, Chemiker, Apotheker) in ihren Schriften verwendeten.

Mit der wissenschaftlichen Erforschung von Geruch und Geschmack Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Grundlagen der organoleptischen Analyse des Weines und der Sensorik geschaffen.

Weinproben als semi-fachliche oder gesellschaftliche Veranstaltungsform wurden in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts populär. Präzise Abhandlungen über die Weindegustation wurden erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts publiziert. Wissenschaftlich grundlegende Arbeiten erschienen ab etwa 1950. Namhafte Fachautoren sind u. a.: in Frankreich: A. Julien, A. Brillat-Savarin, J. Le Magnen, A. Vedel, J. Ribéreau-Gayon, E. Peynaud, M. Léglise; in Deutschland: E. Klenk, L. Jakob; in England: M. Broadbent, P. Vandyke-Price; J. Robinson; in USA: M. B. Amerine, E. B. Roessler, in Australien: B. Rankine.

Bilder mit freundlicher Genehmigung von: HCH, Zwiesel Kristallglas AG