Die Rebsorten

Die botanische Einordnung der Rebpflanze basiert auf der Pflanzensystematik (Taxonomie) des schwedischen Naturforschers Carl von Linné (1707 - 1778). Die Familie der Rebengewächse (Vitaceae oder Ampelidaceae) ordnete er zu den Rhamnales (faulbaumähnliche Gewächse) ein. Diese botanische Familie gliedert sich in zwei Teile, Lecoideae und Vitoideae, die Rebengewächse.

Zu den zehn verschiedenen Gattungen dieser Unterfamilie gehört die europäische Rebe, die als Vitis Linné bezeichnet wird. Von ihren beiden Untergattungen bildet die Euvitis mit ihren 35 verschiedenen Arten die Grundlage für das zur Weingewinnung genutzte Rebsortiment. Allerdings sind die meisten dieser Arten und der sich daraus ableitenden Sorten (Rassen) für die heute praktizierte Weinerzeugung kaum von Bedeutung.

Die vorwiegend im Osten und in der Mitte Nordamerikas beheimateten amerikanischen Arten der Euvitis wie Vitis riparia oder Vitis berlandieri dienen wegen ihrer Resistenz gegenüber der Reblaus als Unterlagsrebe für die europäische Edelrebe.

Ampelografische Darstellung der Vitis berlanderi (aus „Ampélographie“ von P. Viala u. V. Vermorel)

Andere amerikanische Arten wie Vitis labrusca oder Vitis rupestris werden auch unmittelbar zur Weingewinnung genutzt. Die aus diesen Reben oder ihren Kreuzungen (Hybriden) erzeugten Weine sind durch einen markanten „Fuchsgeschmack“ geprägt.


Wildrebe und Edelrebe

Die größte Bedeutung für den Rebanbau hat die Vitis vinifera L. sativa, die Edelrebe, die sich aus der Vitis vinifera L. silvestris, der europäischen Wildrebe, entwickelt hat. Eine weitere Unterart der Vinifera ist die Vitis vinifera L. caucasica, die kaukasische Wildrebe.

Bei diesen Wildreben handelt es sich um zweihäusige (diözische) Pflanzen mit männlich und weiblich blühenden Formen. Da bei den männlich blühenden die Fruchtknoten verkümmert sind, können diese Reben keine Trauben bilden. Bei den weiblichen Formen kann die Fruchtentwicklung nur nach Fremdbefruchtung erfolgen. Durch Mutationen (Änderungen der Erbinformationen) sind im Laufe der Zeit aus männlich blühenden und weiblich blühenden Arten auch zwittrig blühende, selbstbefruchtende Formen entstanden. Da die Fruchtbarkeit dieser Sorten größer als die der Wildreben ist, wurden sie wahrscheinlich schon sehr früh als Kulturreben für die Gewinnung von Saft (Most und Wein) verwendet.

Die Vitis vinifera sativa verfügt im Gegensatz zu anderen Arten wie Vitis riparia (Uferrebe) oder Vitis rupestris (Felsenrebe) meist zwar über kleine Beeren und stärkere Triebe als die amerikanischen Reben, dafür bilden sich in ihren Beeren im stärkeren Maße Zucker und Säuren, so dass aus ihnen nicht nur die geschmacklich besten Weine gewonnen werden können.

Diese Tatsache mag entscheidend für die Bevorzugung der Vitis vinifera sativa für die Weinerzeugung schon in frühester Zeit gewesen sein. Durch eine natürliche Bastardierung sowie durch weitere Mutationen entstanden von dieser Art immer neue Spielarten (Varietäten).


Entwicklung und Verbreitung

Eine wichtige Rolle nehmen dabei klimatische Veränderungen ein. Im Tertiär, vor etwa 60 Millionen Jahren, waren verschiedene Rebarten über ganz Europa, Nordamerika und Asien verbreitet, wie fossile Funde belegen. Als Folge der Eiszeit (vor 700 000 bis 20 000 Jahren) zogen sich die Reben überwiegend in wärmere Klimazonen zurück. Im Holozän (vor etwa 20 000 Jahren) drangen dann verschiedene Arten der Wildreben in neue Gebiete vor. Fast sämtliche heute angebauten Rebsorten sind im Laufe von vielen Jahrtausenden aus diesem unsystematisch erfolgten Ausleseprozess hervorgegangen.

Zu den ältesten noch heute gepflanzten Sorten gehören die Reben aus der Muskateller-Familie. Andere sogenannte traditionelle Sorten wie Burgunder (Pinot) oder Riesling wurden erstmals im 14. beziehungsweise 15. Jahrhundert erwähnt. Die meisten Rebsorten (oder ihre Weine), die in den Schriften der Antike aufgezählt werden, sind bis in unsere Zeit nicht mehr erhalten geblieben, wenn auch von einigen Ampelographen (Rebsortenwissenschaftlern) zuweilen bestimmte griechische oder römische Rebsorten als Vorläufer einiger heute noch kultivierter Pflanzen angesehen werden.


Die Ampelographie

Die präzise Beschreibung der Rebsorten erfolgt in der Ampelographie. [Die Bezeichnung leitet sich ab von Ampelos, dem griechischen Wort für Rebstock. In der griechischen Mythologie wurde Ampelos, ein Spielgefährte von Dionysos, dem Gott des Weines, von einem Stier entführt und zerfleischt. Zeus, Vater des Dionysos, ließ aus dem Leib des Ampelos eine Rebpflanze sprießen, deren Trauben den um seinen Freund trauernden Dionysos trösten sollten.]

Schon im Altertum wurde Rebsorten nach ihrer Eignung für Anbau und Beschaffenheit ihrer Weine unterschieden. In seiner „Naturgeschichte der Gewächse“ behandelte im 3. Jh. v. Chr. der Aristoteles-Schüler Theophrastos von Eresos den Weinstock unter besonderer Berücksichtigung seines Standortes. In den Schriften römischer Sachbuchautoren wie Plinius, oder Columella werden etliche Rebsorten namentlich erwähnt und beschrieben. Der oft bemühte wissenschaftliche Nachweis, dass es sich bei einigen von ihnen um Vorgänger noch heute angebauter Sorten handelt, wurde allerdings bislang nicht erbracht.

Die erste umfassende Darstellung einzelner Rebsorten in der Neuzeit wurde in lateinischer Sprache von dem Botaniker und Doktor der Medizin, Philipp Jakob Sachs von Lowenheimb (1627-1672) verfasst, Das 670 Seiten umfassende wissenschaftliche Werk trug erstmals den Titel „Ampelographia“ (ampelos=Rebe, graph=beschreiben) und erschien l66l in Leipzig.

Reben-Abbildungen aus drei Jahrhunderten (v. links): „Weinreb“ in „Das Kräuterbuch“ von Leonhardt Fuchs, 1543; „Rißling“ von F. Seubert in „Die Weinrebe und ihre Früchte“ von F. C. van Gok, 1836; „Pinot blanc Chardonnay“ von J. Troncy in „Ampélograhie“ von P. Viala und V. Vermorel, 1903.

Im 19. Jahrhundert begann die eigentliche Blütezeit der Ampelographie. Zu den herausragenden deutschsprachigen Rebenwissenschaftlern zählten: - Lambo Freiherr von Babo mit seinem Werk „Der Weinstock und seine Varietäten“ (Frankfurt a. M. 1843-1844), - August Wilhelm Freiherr von Babo und Theodor Rümpler mit ihrer Veröffentlichung „Kultur und Beschreibung der amerikanischen Weintrauben“ (Berlin 1885), - Hermann Goethe und Rudolph Goethe mit ihrem „Atlas der für den Weinbau in Deutschland und Österreich werthvollsten Traubensorten“ (Wien um 1873) und ihrem „Handbuch der Ampelographie“ (Graz 1878).

Renommierte französische Ampelographen sind A. Millardet und L. Ravaz sowie Pierre Viala, der gemeinsam mit Victor Vermorel 1909 die siebenbändige, auch illustrativ äußerst aufwendige Publikation „Traité Général de Viticulture – Ampélographie“ herausgab.

Entscheidende ampelographische Erkenntnisse gab es erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der zum ersten Mal amerikanische Wildreben und in der Folge bis dahin unbekannte Rebkrankheiten nach Europa gelangten. 1828 wurden von dem Franzosen Louis Bouschet di Bemard bei Montpellier erste systematische Rebkreuzungen durchgeführt. Durch die daraus resultierende Rebenzüchtung wurde das „klassische“ Rebsortiment zwischen 1960 und 1990 vor allem im deutschen Weinbau mit neuen Sorten erweitert.

In zahlreichen Weinbauregionen werden in Weinlehrpfaden mit Informationstafeln die jeweils dort angebauten Rebsorten vorgestellt. Im „Europa-Weinberg“ der Rheingauer Weinbaugemeinde Walluf finden sich 20 Rebsorten, mit denen die Vielfalt des Weinsortimentes in europäischen Weinbauländern präsentiert wird.

Von den heute auf der Erde wachsenden Rebsorten wurden etwa 8 000 namentlich bezeichnet und beschrieben. Dazu gehören auch sämtliche Wildrebensorten sowie die Weinreben, von denen Tafeltrauben oder Rosinen gewonnen werden. Für die Weinerzeugung kommen weltweit ungefähr l 500 Sorten von Keltertrauben in Betracht.

Ihre „Steckbriefe“ basieren auf wissenschaftlichen Beschreibungen der Reben-Morphologie in Verbindung mit ergänzenden Bild-Darstellungen der äußeren Merkmale einer jeder Sorte. Außerdem enthalten sie Informationen über Wachstum und Entwicklung (Physiologie) und Pflanzengeographie (Vorkommen, Verbreitung) der jeweiligen Sorte.

Für die Praxis sind vor allem Angaben über die jeweilige Klimaanpassung, die Resistenz gegenüber Schädlingen und Krankheiten sowie die Produktqualität von Bedeutung. Sie sind als international einheitliche Standards in einer „Merkmalliste“ aufgeführt, die von der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) sowie dem Dachverband der Rebenzüchter und dem Internationalen Institut für Pflanzengenetik erarbeitet wurde.

In der folgenden vereinfachten Einteilung nach Ursprung und Herkunft, Verbreitung und Eigenschaften sind für einige Sorten mehrfache Zuordnungen möglich. Auf die Angabe von weniger gebräuchlichen Synonymen wurde verzichtet.

? traditionelle („klassische“) Rebsorten Regionalspezifische Sorten mit gewachsener Bedeutung für den Sortenspiegel Beispiele: (Weißweinsorten:) Aligoté (Frankreich, Osteuropa), Furmint (Ungarn), Gewürztraminer/Traminer, Gutedel/Chasselas, Grüner Veltliner, Muskateller, Silvaner, Ruländer/Grauburgunder, Trebbiano (Italien), Weißburgunder; (Rotweinsorten:) Barbera (Italien), Cinsaut (Frankreich), Dolcetto (Italien), Frühburgunder, Lemberger/Limberger/Blaufränkisch, Gamay (Beaujolais), Müllerrebe/Pinot Meunier, Nebbiolo (Piemont), Portugieser, Saint Laurent/Sankt Laurent/Laurenzitraube, Sangiovese (Italien), Trollinger/Vernatsch

? internationale Rebsorten Global angebaute Sorten deren Verbreitung zum einen auf ihrer Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Boden- und Klimaverhältnisse beruht sowie den darauf abgestimmten Fortschritten der Klonenzüchtung, zum anderen aber auch der besonderen qualitativen Ergiebigkeit ihrer Trauben. Beispiele: (Weißweinsorten:) Chardonnay, Chenin/Steen, Sauvignon blanc; Weißer Burgunder/Pinot Blanc; (Rotweinsorten:) Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Grenache, Merlot, Pinot Noir/Spätburgunder, Syrah

? autochthone und historische Rebsorten Im Gegensatz zu eingeführten (allochthonen) handelt es sich um einheimische vielfach alte Sorten mit Ursprung im jeweiligen Anbaugebiet (Weinbauland). Überwiegend (aber nicht ausschließlich) besitzen sie für den betreffenden regionalen bzw. nationalen Standort einen „exklusiven“ Status und tragen damit zur Bereicherung einer ansonsten uniformen Weinerzeugung bei. Nachteile: aufwendige Pflege, anfällig gegenüber Rebkrankheiten, oft ertragsschwach. Beispiele: (Weißweinsorten:) Orleans, Räuschling, Roter Riesling, Heunisch, Elbling, Wildbacher; (Rotweinsorten:) Affentaler, Gänsfüßer, Tauberschwarz.

? Neuzüchtungen Aus Kreuzungen von zwei Sorten, Merkmale: frühreifend, ertragreich, aromabetonte Weine, verbreiteter Einsatz der klassifizierten und für die Weingewinnung zugelassenen neuen Sorten zwischen 1975 und 1990 vor allem im deutschen Weinbau. Beispiele: (Weißweinsorten:) Bacchus, Faberrebe, Morio-Muskat, Ortega, Huxel, Kerner, (Rotweinsorten:) Acalon, Cabernet Dorsa, Domina, Dunkelfelder, Dornfelder, Regent.

? Pilztolerante Sorten („Piwis“) Aus Rückkreuzungen von amerikanischen und europäischen Rebsorten entstandene pilzfeste (interspezifische) Sorten, die vor allem gegenüber den häufigsten Rebkrankheiten wie Oidium, Peronospora, Botrytis sowie Schädlingen und Frost eine gewisse Widerstandsfähigkeit besitzen. Im Bemühen um einen naturnahen Weinbau und unter Berücksichtigung des Klimawandels erhalten diese Sorten seit einigen Jahren wachsende Beachtung. Beispiele: (Weißweinsorten) Regent, Helios; (Rotweinsorten:) Cabernet Carlon, Cabernet Cortis, Baron, Monarch.

In den Weinbauländern der EU dürfen für gewerbliche Weinerzeugung nur klassifizierte (anerkannte) Rebsorten angebaut werden. (Diese Reglung gilt nicht für “Hobbyweingärten“ bis zu 100m² Rebfläche). Die Entscheidung über die Aufnahme in das amtliche Register klassifizierter Rebsorten richtet sich nach der jeweiligen Anbaueignung sowie den analytischen und organoleptischen Eigenschaften des daraus erzeugten Weines. zuweilen bestimmte griechische oder römische Rebsorten als Vorläufer einiger heute noch kultivierter Pflanzen angesehen werden.


Anbauflächen

In der globalen Anbaustatistik nehmen einen Spitzenplatz unter den Qualitätsweinsorten die Rotweinreben Cabernet Sauvignon und Merlot ein. Auch die Anbauflächen mit Syrah/Shiraz haben in den letzten Jahren zugenommen. Bei den Weißweinreben sind für das Qualitätswein-Segment Chardonnay und Sauvignon blanc führend.

Trotz ihrer Popularität gehören viele dieser Rebsorten für die Erzeugung von Qualitätsweinen allerdings nicht zu den am meisten angebauten Rebsorten der Welt. Hingegen dominieren sie oft den Sortenspiegel einzelner Weinbauländer und Weinbaugebiete wie zum Beispiel Rheinriesling.

Obwohl auf dem Rückmarsch, bedecken Sorten für Konsum- und Verarbeitungsweine (ertragsreiche „Massenträger“) weltweit immer noch große Anbauflächen. Dazu gehören die Weißweinreben Airén und Tempranillo sowie Trebbiano/Ugni blanc und die Rotweinrebe Garnacha Tinta/Grenach, die überwiegend in den südeuropäischen Weinbauländern beheimatet sind. Auch die in Russland angebaute Weißweinrebe Rkatsiteli sowie die amerikanische Missionsrebe (Pais) besitzen erhebliche Bedeutung.

Anmerkung zu den Quellen obiger Daten: Die von der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) und anderen Institutionen veröffentlichten Zahlen zum globalen Weinbau beruhen vielfach auf national unterschiedlichen Erfassungsmethoden und zum Teil auf Schätzungen. Eine unmittelbare, verlässliche Vergleichbarkeit ist somit nicht immer gegeben.